Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Symon gelaufen wäre, um Ragnhild der Faulheit zu bezichtigen.
Die beiden Frauen waren sich nicht nähergekommen. Anfänglich hatte Ragnhild sich um die Magd bemüht, doch schnell musste sie feststellen, dass Grit ein Leben ohne Ragnhild noch immer bevorzugte. Eine ganze Zeitlang hatte sie sich gefragt, woher diese Ablehnung kam. Dann wurde es ihr schlagartig klar. Grits heimliche Blicke in Symons Richtung, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, verrieten sie. Ragnhild hatte keinen Zweifel mehr – Grit war in der Zeit vor ihrer Ehe Symons heimliche Geliebte gewesen!
Viel zu alt zum Kindergebären, hatte die Magd für ihn tatsächlich eine willkommene Gelegenheit dargestellt, sein Bett zu wärmen, bis sich etwas Besseres ergab. Dies war mit der Hochzeit geschehen, und Grit hasste nicht etwa Symon dafür, sondern Ragnhild.
Offensichtlich glaubte die Magd, dass Ragnhild ihr eine Möglichkeit genommen hatte, die es in Wahrheit aber niemals gegeben hatte. Ihr Wunsch, dass Symon sie eines Tages heiraten werde, hatte sie blind gemacht. Nur wegen dieser Hoffnung war sie bei ihm geblieben, und nun traf es sie mit voller Wucht, dass sie nur eine Gespielin für ihn gewesen war. Fast tat sie Ragnhild leid.
Auch die Beziehung zu Jacob war schwierig. Angefangen hatte es bereits am Tag der Eheschließung. Durch die Heirat zwischen Symon und ihr wurde die Verlobung von Jacob und Runa aufgelöst. Schon dafür hatte er Ragnhild verachtet. Nun konnte er sich vor seinen Freunden nicht mehr damit brüsten, einmal eine Dame von Stand zu ehelichen. Ganz im Gegenteil, sicher wurde er der Umstände wegen auch noch verspottet. Seit Ragnhilds Schwangerschaft war das Verhältnis zwischen ihnen allerdings noch angespannter. Jacob war über zwölf Jahre lang das einzige Kind im Hause gewesen. Er konnte und wollte sich ganz offensichtlich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass er sich den Platz an der Seite seines Vaters möglicherweise mit einem weiteren Erben teilen sollte.
Auch Symon merkte die Anspannung zwischen Ragnhild, Jacob und Grit. Zunächst hatte er versucht das Ganze auszusitzen, doch als die Situation sich nicht zu bessern schien, wusste er, dass es nun an ihm war, den Frieden im Hause wiederherzustellen. Ganz davon abgesehen, dass er Streit und Zickereien zwischen Frauen verabscheute, wollte er auch zusätzlich sein neues Eheglück nicht gestört wissen. Denn auch wenn er es niemals zugegeben hätte, war er noch immer ganz trunken vor Glück über die Wende, die sein Leben genommen hatte. Sein Eheweib war aus gutem Hause und hatte ihm Tür und Tor bei den hohen Familien der Stadt geöffnet, was er sich bereits seit einer halben Ewigkeit gewünscht hatte. Zusätzlich war sie von sehr ansprechendem Aussehen und würde ihm in naher Zukunft ein Kind gebären. Sein Glück war perfekt, und er würde sich das weder von seinem Sohn noch von seiner eifersüchtigen Magd kaputt machen lassen. Dieses dumme Ding hatte ihn tatsächlich am Tage nach der Hochzeitsnacht heimlich aufgesucht, um ihn zu bespringen. Symon jedoch hatte sie daraufhin von sich gestoßen und ihr unmissverständlich klargemacht, dass er nun ein Eheweib habe und sie nicht mehr für das Bett benötige. Seither fing sie fortwährend Streit mit Ragnhild an, den Symon allerdings mit harten Worten zu beenden wusste.
Als sie eines Tages gemeinsam am Tisch speisten und Grit gerade dabei war aufzutragen, packte er sie unerwartet rüde am Arm und befahl ihr, sich neben Jacob zu setzen. Die folgende Standpauke ließ selbst Ragnhild erröten. Mit dröhnender Stimme befahl Symon den beiden, seiner Gemahlin gefälligst den gebührenden Respekt zu zollen, und drohte mit allerlei Strafen, falls sie es nicht täten.
Seit diesem Moment empfand Ragnhild das erste Mal ein Gefühl der Achtung Symon gegenüber. Er hatte sich für sie eingesetzt, hatte sie verteidigt, wie es ein Ehemann auch tun sollte, sobald seinem Weibe Unrecht geschah. Das rechnete sie ihm hoch an.
Auch wenn der Gedanke an ihr altes Leben, in dem es so viel Liebe gegeben hatte, ihr noch immer einen Stich versetzte, wurde Ragnhild mit der Zeit klar, dass sie es mit dem wenig ansehnlichen Symon vielleicht doch irgendwie würde aushalten können. Sie hatte recht gehandelt und Runa mit der Hochzeit vor einem Ehemann bewahrt, der weit schlechter für sie gewesen wäre, als Symon es für Ragnhild war. Das Gefühl, ihr als Mutter wenigstens auf diese Weise noch ein letztes Mal beigestanden zu haben, war gut. Noch war sie zu
Weitere Kostenlose Bücher