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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Hamburgs. Viele Männer beneideten ihn um den Umstand, regelrecht zwischen den ehrbaren Jungfrauen der Stadt wählen zu können, und auch Albert fing an, das Buhlen um seine Person zu genießen.
    Selbstverständlich war die Verbindung zu dem jeweiligen Hause, aus dem seine Zukünftige kommen würde, eigentlich das wichtigste Kriterium, doch Albert war gewillt, im Zweifel mit dieser Sitte zu brechen. Es gab nämlich etwas, was ihm weit wichtiger war als jedes Ansehen und jede Mitgift. Seine neue Braut sollte ihn unter keinen Umständen an Ragnhild erinnern. Möglichst anders musste sie sein, damit er nicht immerzu an sie erinnert würde, während er neben seiner neuen Gemahlin lag. Dies schien ihm tatsächlich der einzige Weg zu einer neuen Heirat zu sein, und er war fest entschlossen, sich nicht davon abbringen zu lassen.
    Wochenlang folgte er den Angeboten der Väter und besuchte jede einzelne Jungfrau, bloß um festzustellen, dass es bei allen eine Winzigkeit gab, die ihn an Ragnhild erinnerte. Als er schon fast nicht mehr daran glaubte, fand er schließlich doch ein paar Frauen, die infrage kamen. Schnell stand für Albert fest, zwischen wem er sich letztendlich entscheiden würde. Zum einen gab es da Ava von Staden, dann noch die Jungfrau Elizabeth Niger und die drei Schwestern Alheidis, Elizabeth und Margareta von Grove.
    Ava war die sechzehnjährige Stieftochter des Fridericus von Staden, der durch Hochzeit die beiden Stiefkinder Ava und Helprad bekommen hatte. Sie war eine auffallende Schönheit mit dunklen Augen und sehr blasser, ebenmäßiger Haut. Ihr Bruder Helprad wachte über sie wie ein bissiger Köter.
    Albert hatte das am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als er bei der Familie von Staden zu Besuch gewesen war, um Ava seine Aufwartung zu machen. Wenn er sich ihr auch nur um einen Fingerbreit zu dicht genähert hatte, drohte Helprad sogleich von seinem Sessel aufzuspringen. Es war nicht zu übersehen, dass er sich der Vermittlung seiner Schwester angenommen hatte und seinen allzu netten Stiefvater einfach überging.
    Die Verbindung zur Familie von Staden wäre eine vortreffliche Wahl. Es waren tüchtige Kaufleute, die es verstanden, ihre Sippe geschickt mit anderen hohen Familien Hamburgs zu verbinden, und zusätzlich war Ava mit ihrem fast schwarzen Haar das genaue Gegenteil von Ragnhild.
    Elizabeth Niger war aus einer weniger vornehmen Familie als Ava; doch auch sie hatte ihren Reiz für Albert. Elizabeth war eine kecke, etwas vorlaute junge Dame, die immerzu lachte. Ihr Gesicht war rundlich und wies stets eine rote fleckige Färbung an den Wangen auf. Im Gegensatz zu den meisten Frauen, die Albert besucht hatte, schien sie die Einzige zu sein, die nicht von einem überstrengen Vormund den Mund verboten bekam. Im Hause Niger ging es lebhaft zu, fast schon laut. Mutter, Vater und Tochter redeten alle durcheinander. Die wenigste Zeit ging es um eine möglicherweise anstehende Hochzeit ihrer Tochter. Scheinbar hatte keiner hier im Raum die Angst, dass die siebzehnjährige Frohnatur am Ende keinen Gatten abbekam.
    Der Besuch bei den von Groves hingegen war der skurrilste während Alberts gesamter Brautwerbung. Kaum hatte er das großzügige Haus der tüchtigen Kaufleute betreten, konnte er bereits einen lautstarken Streit zwischen den drei Schwestern vernehmen. Albert kam nicht umhin, mit anzuhören, dass es dabei um ihn ging.
    Die Mädchen schrien aus Leibeskräften und wollten so ihren höheren Anspruch auf Albert geltend machen. Den Eheleuten und Eltern, die Albert gerade zur Tür hereingebeten hatten, war dieser Aufruhr sichtlich peinlich, und noch im gleichen Augenblick entschuldigte sich der Vater knapp und stürmte nach oben. Es folgten ein Geklatsche und Geschrei, und dann war es still. Einen Moment später kam der Vater wieder die Treppe herunter. Hinter ihm folgten die Mädchen, alle drei mit hängenden Köpfen und jeweils einer stark geröteten linken Wange. Auf einmal kaum noch an Liebreiz zu überbieten, begrüßten ihn die Schwestern mit einem angemessenen Knicks und ohne viele Worte.
    Albert wurde in eine feine Wohnstube geführt, wo sich alle ihm gegenüber niederließen. Diesen Moment nutzte er, indem er sich die Mädchen genau anschaute. Auffälligerweise hatten alle von ihnen das gleiche rote Haar, blasse Haut mit vielen Sommersprossen und grüne Augen. Die Schwestern waren einander sehr ähnlich – jedenfalls äußerlich –, denn beim genaueren Hinsehen meinte Albert, bereits

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