Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
eindeutig von Männerhänden ausgegangen. Demnach musste Willekin einer der Vermummten sein!
Alles fügte sich langsam zu einem schrecklichen Bild zusammen, welches noch von einer weiteren Tatsache genährt wurde. Es war eine dunkle Vermutung, die Conrad bereits seit Jahren verfolgte, doch hatte er nie gewagt, sie zu Ende zu denken. Damals im Verlies hatte einer der Vermummten die versprochene Mitgift erwähnt, die er für Ragnhild an Symon von Alevelde bezahlen sollte. Doch zu dieser Zeit hatte eigentlich kaum jemand etwas von seinen Hochzeitsplänen für seine verhasste Schwägerin wissen können. Das heißt, niemand außer Willekin, Symon und er selbst – denn nur sie drei waren bei der Verhandlung damals zugegen gewesen.
Conrad hatte es tief in seinem Inneren immer gewusst, doch es einfach nicht wahrhaben wollen. Sein engster Freund Willekin war in Wahrheit sein Feind und hatte ihn ohne jeden Skrupel verraten und erpresst!
Obwohl er in diesem Moment jeden Anlass dazu gehabt hätte, stellte Conrad Willekin nicht sofort zur Rede. Er packte ihn nicht am Kragen oder brüllte gar erbost auf ihn ein. Nein, er wollte jetzt die ganze Wahrheit herausfinden, und er wusste auch schon, wie er an diese Informationen herankommen konnte.
Betont fürsorglich sagte er: »Wir müssen weiter. Willekin, kannst du aufstehen?«
Der Angesprochene versuchte es mit Hilfe seiner Frau, doch die entsetzlichen Schmerzen ließen ihn zunächst nur laut aufschreien und dann sogleich wieder in sich zusammensacken. Willekin stellte fest, was nur allzu offensichtlich war. »Ich glaube, mein Bein ist gebrochen.«
Ohne zu zögern, befahl Conrad allen, was sie zu tun hatten. »Johannes, Godeke. Ihr bringt die Frauen aus der Stadt. Diese Straße führt zum östlichen Stadttor. Bis dahin sind die Flammen anscheinend noch nicht gekommen. Dahinter seid ihr in Sicherheit.«
»Und was wird aus dir, Vater?«, fragte Godeke etwas weinerlich.
»Ich und Willekin werden nachkommen. Und nun geht.«
Gewohnt, den Befehlen der älteren Männer zu gehorchen, liefen die Zwillinge mit den Frauen los und ließen Conrad und Willekin zurück.
Kaum waren die vier außer Sichtweite, veränderte sich Conrads fürsorglicher Blick seinem Freund gegenüber. Wütend, enttäuscht und ungläubig starrte er auf Willekin hinab. Um sie herum fingen die letzten noch nicht brennenden Häuser Feuer. Funken stiebend, gingen andere bereits zu Boden. Doch Conrad schenkte den Flammen keine Beachtung mehr. Er konnte es einfach nicht fassen. Sein eigener Freund hatte ihn verraten und geschlagen. Wenn auch viele der Ratsmänner sich in den letzten Jahren gegen ihn gestellt hatten, so war Willekin stets sein Vertrauter geblieben. Wie hatte er sich nur so in ihm täuschen können?
Willekin bemerkte den Blick seines Nachbarn nicht. Er hatte es mittlerweile geschafft, wenigstens seinen Oberkörper aus eigener Kraft aufzurichten, und versuchte nun vergeblich, sich auf sein gesundes Bein zu stellen. »Conrad, reich mir deinen Arm und hilf mir auf. Wir müssen von hier verschwinden; und zwar schnell!«
Doch Conrad machte keinerlei Anstalten, Willekin zu Hilfe zu kommen. »Ach ja, müssen wir das? Und wohin sollen wir gehen, mein Freund?«, fragte er spöttisch. Noch immer rührte er keinen Finger.
Willekin hielt nun inne und schaute Conrad ins Gesicht. Vollkommen verständnislos und mit überschlagender Stimme fragte er: »Was soll das heißen, wohin ? Natürlich raus aus der Stadt. Hier wird gleich alles in sich zusammenbrechen und uns begraben!«
Conrad schaute nach oben zu den Dächern der Häuser, die die Straße säumten. Aus jedem Dach quoll mittlerweile dichter Rauch. Die Hitze wurde immer drückender. Mit ruhiger Stimme sagte er: »Ja, du hast recht. Hier wird gleich alles in Flammen stehen. Wir sollten an einen sicheren Ort gehen. Vielleicht an einen Ort, der tief unter der Erde liegt und der feucht ist. An einen Ort mit Wänden aus dicken Steinquadern und mit Ketten, die an diesen Wänden befestigt sind. Kennst du so einen Ort, Willekin?«
Nach diesen Worten sank der Verletzte, der es fast geschafft hatte aufzustehen, wieder zurück in seine ursprünglich sitzende Position. Er verstand sofort, worauf Conrad anspielte, und nickte anerkennend. »Alle Achtung, mein Freund. Ich bin beeindruckt. Nach all den Jahren wählst du diesen Zeitpunkt und diesen Tag, um mir zu sagen, dass du mein Geheimnis gelüftet hast. Wie bist du darauf gekommen?«
Conrad lachte kurz. »Du solltest
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