Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
vielleicht besser darauf achten, wie deine Frau sich kleidet, mein Freund ! Hast du gar nicht bemerkt, dass sie den Umhang trägt, den du damals getragen hast?«
Willekin ließ den Kopf kurz auf die Brust sinken. Tatsächlich war ihm nicht aufgefallen, dass Hildegard heute ausgerechnet diesen Umhang trug. In ihrer Panik musste sie in seine anstatt in ihre Truhe gegriffen und ausgerechnet dieses eine Stück herausgezogen haben. Es war beschämend, dass sein so gut gehütetes Geheimnis auf diese banale Weise aufgedeckt worden war.
Conrad schien noch immer nicht gewillt, Willekin hochzuhelfen oder sein eigenes Leben zu retten. Stattdessen fragte er verständnislos: »Sag mir, warum, Willekin. Wieso du? Du warst mein Freund!« Während er sprach, fing Conrad an, fahrig vor dem Verletzten auf und ab zu laufen. Immer wieder fuhr er sich über den Schädel oder wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Seine Bestürzung veränderte sich in Wut, und diese machte sich jetzt auch in seiner Stimme bemerkbar. »Ich habe so viele Feinde in der Stadt, und ausgerechnet du stellst dich gegen mich? Was für einen Grund hattest du dafür? Gib mir gefälligst eine Antwort, du Hundsfott!«
Willekin hatte den Kopf wieder erhoben. Er konnte sich nur schwer auf das Gespräch konzentrieren. Sein Brustkorb schmerzte mindestens genauso sehr wie sein Bein, und der immer dichter werdende Rauch löste bei ihm ein endloses Keuchen aus, das seinen trockenen Hals peinigte. Die Antwort auf Conrads Frage fiel ihm dennoch leicht. Zu lange schon schwelte der Hass auf die von Holdenstedes in ihm, als dass er diese Frage nun nicht hätte beantworten können.
»Das fragst du noch, Conrad? Kommst du wirklich nicht selbst darauf? Wer sonst soll für die Sünden eines verstorbenen Mannes geradestehen, wenn nicht der Sohn? Glaubst du tatsächlich, dass die Erniedrigung, die ich damals erfahren musste, als Albert meine Tochter abgelehnt hatte, mit ein paar warmen Worten deines Vaters oder ein paar Krügen deines Weins abgegolten war? Nein, auch sein Tod, den ich damals mit Freuden vorangetrieben habe und der dich hat glauben lassen, wir zwei wären Verbündete, war mir nicht Rache genug. Ihr alle solltet leiden. Du, genauso wie Albert und seine dänische Hure von Eheweib. Darum haben Ingrid und ich uns Johannes und Heseke vom Berge und Vater Lambert angeschlossen. Wir alle haben Grund, mindestens einen von euch zu hassen. Gemeinsam haben wir einen Pakt geschmiedet, der jedem gerecht wurde. Er war so perfekt, dass er einfach gelingen musste. Und soll ich dir noch etwas verraten, Conrad? Ich bereue es nicht! Ich bereue gar nichts! Auch wenn du mich jetzt in dieser verdammten Hölle zurücklässt, ihr alle hattet es verdient!« Willekin spie die letzten Worte so hasserfüllt aus, dass sein Gesicht sich furchterregend verzerrte.
Conrad hörte ungläubig das Geständnis seines einstmaligen Freundes. Willekin hatte all die Jahre eine perfekte Doppelrolle gespielt. Der gemeinsame Mord an Conrads Vater diente einerseits seinen eigenen Interessen und andererseits als Tarnung. Tatsächlich hatte Conrad sich all die Jahre dem Glauben hingegeben, dass diese gemeinsame Tat ihn und Willekin verband – nie wäre er auf die Idee gekommen, dass sein Freund ihn während jeder Stunde des Beisammenseins aushorchte, um die Verschwörung gegen ihn voranzutreiben. Conrad atmete schwer. Das Leben, das er zu kennen glaubte, drohte in sich zusammenzufallen. Nichts war mehr so, wie es zu sein schien. Vater Lambert war also der dritte Mann im Verlies gewesen. Ein Geistlicher! Wie sollte er jemals wieder irgendwem vertrauen können, wenn schon Frauen und Kirchenmänner nicht mehr davor zurückschreckten, solche Ränke zu schmieden?
Willekin versuchte zwischenzeitlich erneut, sich auf sein gesundes Bein zu stellen. Vergeblich. Die Hitze war jetzt fast unerträglich, und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, um von hier zu verschwinden.
Mittlerweile hatte sich der Rauch, der eben noch dicht und rußig aus den Häusern getreten war, in helle, lodernde Flammen verwandelt. Wild schlugen sie aus allen Öffnungen. Auch das Haus, vor dem sie standen, war bereits vom Feuer ergriffen. Bald schon würde davon nur noch Asche übrig sein, und alles um es herum würde ebenso zu Staub.
Willekin lief der Schweiß. Sosehr er sich auch bemühte, er schaffte es einfach nicht, ohne Hilfe aufzustehen. Derweil wurde ihm bewusst, dass er Conrad tatsächlich brauchte, um zu fliehen. So grotesk
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