Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
abwenden, doch Walther hielt sie fest. Tränen der Verzweiflung rannen ihre Wangen herunter. Angesichts der Wahrheit in seinen Worten sah sie sich außerstande, etwas zu erwidern.
Ihr Anblick war wie ein Schnitt in sein Herz. Er wollte sie nicht quälen. Niemals könnte er ihr etwas Böses antun, und deshalb sprach er schnell weiter. »Runa, ich liebe dich. Ich bin nicht er, aber ich verspreche, dir ein guter Ehemann zu sein. Werde meine Frau, und das Kind in deinem Leib wird wie das meine sein.«
»Spotte nicht über mich, Walther. Kein Mann von Ehre würde so etwas tun.«
»Ich pfeife auf jede Ehre, wenn ich dich dafür haben kann«, erwiderte er ernst. »Sag ja!«
Runa hörte auf zu weinen. Auch wenn seine Worte noch so unglaublich klangen, sah und fühlte sie, dass sie ehrlich gemeint waren. Er liebte sie, und er versprach, auch das Ungeborene zu lieben – Runa glaubte ihm. Doch wie könnte sie jemals bei einem anderen Mann liegen als bei Johann? Sie liebte ihn , und sie trug sein Kind. Was aber hatte sie für eine Wahl? In wenigen Wochen schon würde sich ihr Bauch deutlich abzeichnen, und dann würde man sie als Beginen-Schwester, die Unzucht begangen hatte, hart bestrafen – womöglich sogar töten! Sie brauchte sich nicht zu entscheiden, denn sie wusste, dass das Leben, das Walther ihr anbot, das einzige Leben war, das ihr noch blieb. Es wäre kein schlechtes Leben. Und Runa wollte leben; für ihr Kind. Mit den Worten »Ich nehme deinen Antrag an« ließ sie ein neues Leben beginnen und eine alte Liebe sterben.
Walther hätte sie vor lauter Glück am liebsten hoch in die Luft gehoben, doch er wollte sie nicht beschämen. So nahm er einfach ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss darauf. Dann drehte er sich lachend den Hamburgern zu und verkündete vor den Augen Johanns eine Neuigkeit, die wohl keiner der Anwesenden für möglich gehalten hätte. »Liebe Leute, hört mir zu. Es wird eine zweite Hochzeit zu feiern geben. Und ich bin der glückliche Gemahl. Das heißt, wenn ihr Vater mir seine Tochter zur Braut gibt …«
Johann Schinkel entfuhr ein Laut des Entsetzens. Er wollte etwas sagen – Einspruch erheben –, doch begriff er schnell genug, dass es nichts gab, was er hätte tun können, ohne sich und vor allem Runa zu verraten. Tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, dass er sie irgendwann verlieren würde. Doch niemals hätte er geahnt, dass es so schmerzhaft werden würde.
Mit größter Erwartungsfreude blickten die Anwesenden nun auf Ragnhild und Albert.
Walther hatte Runa bei der Hand genommen und schritt langsam mit ihr auf seinen Freund zu. Das Erstaunen in dem Gesicht des Vaters war nicht zu übersehen. Immer wieder schaute er zu seiner Tochter und dann wieder zu Walther. Dieser blieb nun vor ihm stehen und sagte so würdevoll und aufrichtig, wie es ihm möglich war: »Ich bitte dich hiermit um die Hand deiner Tochter, Albert.«
Nach einem Moment des Schweigens breitete sich ein freudiges Strahlen auf den Gesichtern der stolzen Eltern aus. Albert schaute zu Ragnhild, und Ragnhild schenkte ihm ein Nicken. Daraufhin legte Albert seinem künftigen Schwiegersohn die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich wüsste keinen Besseren. Ihr habt meinen Segen!«
Dann brach erneuter Jubel aus, der nicht mehr abebben wollte. Nach diesen schrecklichen Tagen dürstete es die Menschen nach freudigen Ereignissen, und sie saugten das Glück der Verlobten geradezu in sich auf. Zwei Hochzeiten auf einen Streich konnten nur ein gutes Zeichen für die Zukunft sein.
EPILOG
Der sonnendurchflutete Augusttag war warm, und die Luft duftete nach den Blumen und Gräsern, welche von unermüdlichen Kindern für diesen feierlichen Anlass gepflückt worden waren. Lange Tafeln mit weißen Tischtüchern, die im leichten Wind wehten, wurden auf dem Platz vor der St.-Petri-Kirche aufgestellt, der heute als Festplatz diente.
Den Frauen der Stadt war es tatsächlich gelungen, mit dem, was ihnen das Feuer gelassen hatte, und dem, was der Wald ihnen an Früchten, Pilzen und Fleisch schenkte, ein Festmahl zu bereiten. Immer wieder wurden dampfende Platten und prall gefüllte Körbe aus allen Himmelsrichtungen herangetragen, bis die Tafeln über und über mit allerlei warmen und kalten Speisen bedeckt waren.
Marga hatte, ohne je darum gebeten zu haben, die Führung der Vorbereitungen von den Frauen übertragen bekommen. Sie tat ihr Amt mit großer Freude, stand sie doch beiden Ehepaaren sehr nahe. Nachdem Conrad durch
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