Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
wollten ihren Ohren kaum trauen.
Albert war der Erste, der seine Stimme wiederfand. »Sag mir, dass das nicht wahr ist, Conrad. Das hast du nicht wirklich getan!«
Der Angesprochene drehte sich zu Albert um und antwortete mit hassgeschwängerter Stimme: »Sehr wohl, geliebter Bruder ; es ist wahr! Ich habe unseren alten Vater mit seinem eigenen Laken erstickt und dann das Testament gefälscht, um an das Erbe zu kommen. Hast du tatsächlich geglaubt, ich würde dir und deiner dänischen Hure unser Familienvermögen überlassen?« Dann richtete er sich an die umstehende Menschenmenge. »Jeder von Euch törichten Narren hat doch geglaubt, dass mein allzu gerechter Vater seinen Zweitgeborenen tatsächlich dafür bestrafen wollte, dass er eine Dänin geheiratet hatte. Mein Plan war perfekt, und fast hätte ich es auch geschafft, ihn noch vor seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag loszuwerden, um ihm niemals etwas auszahlen zu müssen. Ich habe Euch alle getäuscht, und das werdet Ihr nie vergessen. Ihr werdet mich niemals vergessen!« Conrads Kopf war rot angelaufen. Seine Wut ließ ihn aussehen wie einen wilden Dämon, doch Albert wich keinen Schritt zurück. Die Brüder trennte keine Handbreit mehr, als Conrad gestand: »Wenn es nach meinen Wünschen gelaufen wäre, liebster Bruder, dann wärst du entweder in den eisigen Gewässern der Nordsee oder durch die Hände der nichtsnutzigen Boten in dem friesischen Heidenland krepiert!«
Albert schaute unbewegt auf seinen Bruder. Im Gegensatz zu allen anderen löste das letzte Geständnis bei ihm kein großes Entsetzen aus. Er hatte gewusst, dass sein Bruder ihn in der Ferne hatte töten lassen wollen.
Runa und Ragnhild hingegen war der Schreck über die Wahrheit ganz besonders anzusehen. Haltsuchend schlossen sie einander in die Arme, um sich zu trösten.
Auch Luburgis, die mit Johannes und Godeke zusammenstand, war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen.
In diesem Moment war deutlich zu bemerken, dass die Herren des Gerichts mit einem derartigen Geständnis nicht gerechnet hatten. Plötzlich war ein Fall des Niedergerichts zu einem Fall des ratsherrlichen Hochgerichts geworden. Es stand außer Frage, dass der Vogt nun nicht mehr allein entscheiden konnte. Mit einem Wink gab er den Bütteln das Zeichen, Conrad vorerst in ihre Gewalt zu nehmen. Dann wandte sich der Vogt den Advocati und dem Wortführer der Dingleute zu. Sie alle schienen sich schnell einig zu sein, und nur wenige Augenblicke später erhob sich der Vorsitzende des Vogtgerichts.
»Conrad von Holdenstede, das Gericht hat weit mehr als genug gehört, um eine Entscheidung zu treffen. Da Ihr Euch soeben gleich mehrerer Verbrechen für schuldig bekannt habt, wurde entschieden, dass eine Abstimmung mit den Beisitzern an dieser Stelle wohl überflüssig ist. Ich verkünde somit im Namen unserer ehrenwerten gräflichen Stadtherren und im Namen des städtischen Ratsgerichts, dass Ihr wegen Mordes zum Tode verurteilt werdet. Man wird Euch die Glieder durch das Rad zerstoßen, Euch anschließend darauf flechten und Euch damit aufstellen, bis der Tod eintritt. Die Kosten für Eure Hinrichtung tragt Ihr selbst und gebt sie zur Hälfte dem Rat und zur Hälfte dem Vogtgericht. Außerdem zahlt Ihr noch zwei Silbermark für das Fälschen des Testaments sowie zwölf Pfennige für das Beschimpfen vor Gericht und jeweils eine Silbermark als Buße für Eure Tat an den Rat, an mich, den Vogt und an Dominus Johannes vom Berge. Eurem Weib, Domina Luburgis von Holdenstede, wird die Strafe auferlegt, noch heute die Stadt Hamburg zu verlassen und nie mehr zurückzukehren. Durch das Abkommen mit der Stadt Lübeck aus dem Jahre des Herrn 1241 wird ihr ferner untersagt, jemals wieder in der Stadt Lübeck oder Hamburg Obdach zu suchen. Ihren Stiefsöhnen wird es freigestellt, mit ihr zu gehen oder zu bleiben.«
Damit war das Schicksal der Eheleute besiegelt. Während Conrad starr vor Schreck und unter großem Gejohle der Menge von den Bütteln weggeführt wurde, musste Luburgis von Johannes und Godeke gestützt werden, da sie eine gnädige Ohnmacht befiel.
Ungeachtet dessen forderte der Vogt die Hamburger auf, zur Ruhe zu kommen, damit er mit seinem Urteil fortfahren konnte. »Das gesamte verbliebene Vermögen von Conrad und Luburgis von Holdenstede sowie das Erbe in der Reichenstraße fällt Albert von Holdenstede zu. Somit ist über diesen Fall entschieden, wenn niemand mehr etwas zu ergänzen hat.« Der Vogt schaute noch ein
Weitere Kostenlose Bücher