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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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wollte. Sie war sich sicher, dass der Antrag Walthers nicht zuletzt an seiner vorschnellen Abreise Schuld trug. Mit der Entdeckung des zweiten Testaments in der Stadtkiste und der Anklage Conrads vor Gericht hatte Johann das Leben ihrer ganzen Familie verändert. Doch tief in ihrem Inneren wusste Runa, dass er es ganz allein ihr zuliebe getan hatte. Diesen Beweis seiner Liebe würde sie für immer in ihrem Herzen tragen. Auch wenn der Gedanke, nie mehr wieder in seinen Armen liegen zu können, ihr heute noch unerträglich erschien, würde sie lernen müssen, damit zu leben. Runa war sich bewusst, dass sie großes Glück mit Walther hatte, der bereit war, das Kind eines anderen Mannes anzunehmen. Mit Sicherheit würde er sie wohl behandeln und ihr ein gerechter Gemahl und ein guter Vater sein; dafür nahm sie sich vor, es ihm auf jede mögliche Weise zu danken und sich redlich zu bemühen, ihn eines Tages tatsächlich zu lieben.
    Als der Tag sich langsam dem Ende neigte und der Platz am Berge von der untergehenden Sonne in ein orangefarbenes Licht getaucht wurde, waren sich alle Anwesenden sicher, dass dieser Tag vollkommen war. Niemand ahnte, dass er noch eine überraschende Wende bringen würde.
    Völlig unerwartet erschien ein neuer Gast auf dem Festplatz. Mit gehemmtem Gang und unsicherem Blick steuerte er direkt auf die Brautpaare zu, die nebeneinander in der Mitte der langen Tafel saßen.
    Ein jeder hörte auf zu tun, was er gerade tat, und stieß seinen Nebenmann an, sofern dieser den Näherkommenden noch nicht bemerkt hatte.
    Es war Godeke.
    Da es keinen unter den Festgästen gab, der nicht um die Geschichte der Zwillinge wusste, stieg die Spannung mit jedem seiner langsamen Schritte ins Unermessliche.
    Als Ragnhild ihren Sohn erblickte, ergriff sie fahrig die Hand ihres Gatten. Auch Albert starrte wie gebannt auf den Fünfzehnjährigen und umschloss die schweißnassen Finger seiner Braut.
    Endlich erreichte Godeke sein Ziel. Er stand direkt vor Ragnhild und Albert; den Kopf tief gesenkt. Er schwieg. Sein Anblick war erbärmlich und der Gestank, der von ihm ausging, noch über die Länge von drei Männern hinaus wahrzunehmen.
    Ragnhild konnte sehen, dass er zitterte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihn an sich gezogen, doch sie wusste, dass dieser Gedanke töricht war. Obwohl sie Mutter und Sohn waren, hatten sie seit vielen Jahren nicht einmal einen flüchtigen Gruß ausgetauscht. Außerdem war Godeke kein kleiner Junge mehr, sondern stand im Begriff, ein Mann zu werden. Statt ihn zu überrumpeln, sagte sie, so einladend wie möglich: »Sprich, mein Sohn. Was ist dein Begehr?«
    Mit bebender Stimme und immer noch gebückter Haltung fing er an zu reden. »Seitdem man uns aus der Stadt gejagt hat, leben wir im Wald. Mutter … ich meine Luburgis … und Johannes sind noch immer dort. Ich hatte viel Zeit, um nachzudenken …« Sichtlich betreten suchte er nach den richtigen Worten und wischte sich die Hände immer wieder an seinem speckigen Hemd ab. »Ich könnte verstehen, wenn Ihr mich nun nicht mehr wollt …«
    Ragnhilds Herz setzte einen Schlag aus. Was wollte er damit sagen? All ihre Sinne waren auf ihren Sohn gerichtet, und dennoch fiel es ihr schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Seine Stimme klang brüchig, bald schon würde sie sich in die eines Mannes verwandeln. Er wird erwachsen, dachte sie wehmütig und kämpfte mit den Tränen.
    Godeke holte noch einmal Luft und wagte nun zum ersten Mal hochzublicken. Seit zwei Tagen schon rang er mit sich und seiner Idee zurückzukehren, und jetzt, da er sich endlich überwunden hatte, stand er hier, und ihn verließ der Mut. Sehr leise, fast so, als ob er keinen Atem mehr übrig hätte, sagte er die nächsten Worte. »Wenn ich bei Euch bleiben darf, dann verspreche ich, mich wohl zu betragen und Euch ein guter Sohn zu sein …«
    Ragnhild drückte die Hand von Albert nun so fest, dass es ihn schmerzte. Plötzlich sprang sie einfach auf und rannte los. Sie raffte ihre Röcke und stürmte die lange Seite der Tafel entlang. Tränen liefen ihr seitlich von den Augen ins Haar. Godeke! Godeke! In Gedanken rief sie seinen Namen. Ihr Kind war zu ihr zurückgekehrt. Ganz egal, was gewesen war, sie würde ihn mit offenen Armen empfangen und ihn nie wieder gehen lassen.
    Endlich umrundete sie die Spitze der langen Tafel und rannte die Längsseite entlang direkt auf ihn zu. Das Bild vor ihren Augen verschwamm in einer Flut von Freudentränen. Nur

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