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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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noch wenige Schritte trennten sie von ihren Sohn, und noch während sie rannte, breitete sie die Arme aus. Überglücklich schloss sie den hochgewachsenen Jungen in die Arme und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
    Godeke ließ es gerne mit sich geschehen und lächelte angesichts des ungezügelten Gefühlsausbruchs seiner Mutter. Dann erwachten die Hochzeitsgäste aus ihrer Starre. Sie fingen an zu jubeln und zu klatschen, und als auch Albert und Runa zu Godeke und Ragnhild liefen, kannte die Freude aller Gäste keine Grenzen mehr.
    Godeke breitete die Arme so weit aus, wie er konnte, damit er alle seine Lieben darin einschließen konnte. Er fühlte sich daheim. Die Schrecken der letzten Tage waren endlich vorüber, und zum ersten Mal seit unendlich langer Zeit hatte er das gute Gefühl, das Richtige zu tun.
    Der Stiefvater, zu dem er immer aufgeschaut hatte, war ein Mörder und Verräter gewesen und seine ganze Welt mit dieser Erkenntnis in sich zusammengestürzt. Noch immer fassungslos darüber, musste er sich eingestehen, dass er den Lügen von Conrad und Luburgis Glauben geschenkt hatte. Lügen über ihren Großvater und ihren Vater Albert sowie Lügen über ihre Mutter Ragnhild und ihre Schwester Runa. Doch diese Zeit sollte nun ein Ende haben. Auch wenn er es nicht geschafft hatte, seinen Bruder zum Umkehren zu überreden, würde nun wenigstens für ihn ein neues Leben anfangen.
    Ein Leben ohne Lügen und ein Leben im schützenden Kreise seiner Familie, die ihn gerade umarmte, als wäre er niemals fort gewesen.

NACHWORT UND DANK
    Das Hamburg des 13. Jahrhunderts war im Gegensatz zu dem Hamburg, welches wir heute kennen, zunächst einmal eines – klein! Seine Stadtgrenzen reichten im Norden gerade mal bis zum Jungfernstieg, im Osten etwa bis zum Hauptbahnhof, im Süden bis zum äußersten Rande der Cremon-Insel und im Westen bis kurz hinter den Rödingsmarkt. Innerhalb dieses Bereichs lebten zur Zeit des Romans ungefähr fünftausend Menschen, und einige von ihnen trugen entscheidend dazu bei, dass Hamburg zu dem wurde, was es heute ist.
    Jordan von Boizenburg war für Hamburg möglicherweise die entscheidende Person des ausgehenden Frühmittelalters. Alles, was ich über seine Arbeit geschrieben habe, entspricht der Wahrheit. Die kurz erwähnten Verhandlungen in Flandern 1253, in denen Boizenburg Handelsprivilegien für Hamburg erwirkte, welche den Grundstein für den späteren Handel zwischen Norddeutschland und Flandern legten, sind ebenso nachhaltig bewiesen wie das Anlegen des Stadterbebuchs »Registrum civitatis« und des Schuldbuchs »Liber actorum«. Doch das Hauptaugenmerk lege ich in meinem Roman auf sein letztes Werk – das Ordeelbook. Als ich es zum ersten Mal zur Hand nahm, war ich davon so begeistert, dass ich schnell entschied, es zu einer meiner »Hauptfiguren« zu machen. Nicht bloß die Tatsache, dass dieses Buch das erste mittelniederdeutsche Stadtrecht der Jahre zuvor vereinigten erzbischöflich-bremischen Altstadt und der gräflich-holsteinischen Neustadt war, sondern auch der Inhalt an sich faszinierte mich. So zeigte es mir beispielsweise auf, dass das mittelalterliche Hamburg zwar auf der einen Seite roh und gewalttätig war, auf der anderen Seite aber auch ebenso sehr gerecht und geordnet – was im starken Kontrast zueinander steht. Strafen, die uns heute unvorstellbar vorkommen, wie etwa das Zerstoßen von Gliedern mit einem Wagenrad, das Brandmarken im Gesicht oder das Abhacken von Händen, stehen neben den verbrieften Rechten der Unterschicht und der oft wehrlosen Frauen. Das Ordeelbook lehrte mich ebenso einiges über das Verhältnis der drei großen Mächte Hamburgs zueinander. Der Rat, die Schauenburger Grafen und das Domkapitel kämpften zu damaliger Zeit erbittert um jeden Zentimeter der Stadt, um das Geld ihrer Bewohner und um jede einzelne Seele.
    Neben Magister Jordan von Boizenburg und seinen überragenden Taten möchte ich aber Johann Schinkel nicht vergessen, der sich um Hamburgs Lob ebenso verdient gemacht hat. Das Zittern der Schreibhand Boizenburgs habe ich mir ausgedacht, um Johann Schinkel vorzeitig in die Geschichte mit einzuflechten. Schinkel war zwar tatsächlich Boizenburgs Nachfolger gewesen und ebenso auch ein Domherr, doch ob er auch als eine Art Schüler des Ratsnotars von ihm gelernt hat, kann ich nicht beweisen. Selbstverständlich aber habe ich ihm die Liebschaft mit einer Begine bloß angedichtet.
    Schinkels Amtszeit dauerte genau drei Jahrzehnte

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