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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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das Rad gestorben und Luburgis aus der Stadt verjagt worden war, hatten Albert und Ragnhild sich ihrer angenommen. Seither lebte die Magd nicht mehr unter einer Herrschaft, sondern in einer Familie. Zum ersten Mal seit dem furchtbaren Tod ihrer geliebten Mutter, den auch Runa, Ragnhild und Albert beweinten, fühlte Marga sich wieder glücklich.
    Doch ungeachtet all der Trauer und Verluste, die jeder Hamburger durchlitten hatte, gab es niemanden, der sich nicht auf die Feierlichkeiten freute. Beide Hochzeiten wurden auf Wunsch der Brautpaare am selben Tag gefeiert, und obwohl die Häuser der Stadt größtenteils verbrannt waren und die Flammen nahezu alles Hab und Gut vernichtet hatten, wurde der Tag zu einem rauschenden Fest.
    Wären nicht die verkohlten Ruinen im Hintergrund gewesen, die wie schwarze Mahnmale an die schreckliche Nacht des Brandes erinnerten, hätten es die Bewohner der Stadt an diesem Tage wohl geschafft, die jüngsten Ereignisse für kurze Zeit vollends zu verdrängen.
    Da Runa durch die Zeit im Kloster kein einziges schönes Kleid besaß, hatte Hildegard von Horborg darauf bestanden, ihr eines von ihren Gewändern zu leihen. Niemand wusste, wo die immer gut gekleidete Hildegard, deren Haus ja auch vom Feuer verschlungen worden war, dieses Kleid aufgetrieben hatte, doch als die Hochzeitsgesellschaft es zum ersten Mal an Runa sah, verschlug es allen regelrecht die Sprache.
    Die teure Seide schimmerte hell- und dunkelgrün, und die unzähligen Gold- und Silberfäden, mit denen sie durchwirkt war, glänzten prachtvoll in der gelben Augustsonne. Wie passend diese Farbe doch war – schließlich galt Grün als Symbol für den Beginn einer jungen Liebe.
    Runas Mutter hingegen bekam ein Kleid von Agatha gefertigt. Die Schneidersfrau bestand vehement darauf, es ihrer Freundin zur Hochzeit zu schenken, und duldete in diesem Falle keine Widerrede. Ragnhild gab schon bald ihren halbherzigen Protest auf und dankte ihrer Freundin überschwänglich und unter Tränen. Als es ihr am Tage der Hochzeit dann das erste Mal über den Leib gelegt wurde, waren alle Frauen sich einig. Dieses Kleid war das schönste und prächtigste, das die Eheleute Agatha und Voltseco von der Mühlenbrücke jemals geschneidert hatten.
    Nachdem beide Paare vor Gott vermählt worden waren, wurden Mutter und Tochter neben Albert und Walther unter großem Jubel von der Festgemeinde auf dem Platz am Berge empfangen. Die Trauung hatte in der St.-Petri-Kirche stattgefunden, die die geringsten Schäden aller Hamburger Gotteshäuser davongetragen hatte, und wurde von einem Geistlichen aus dem benachbarten Kirchspiel Eppendorf abgehalten. Vater Lambert war, wie alle anderen Pfarrvikare Hamburgs, in den Flammen umgekommen.
    Auch wenn Ragnhild ihm niemals den Tod gewünscht hatte, konnte sie dennoch nicht leugnen, dass sie glücklich darüber war, diesem Mann, der sie so sehr verachtet hatte, nie wieder begegnen zu müssen. Ja, heute ließ Ragnhild sogar die Frage zu, ob es vielleicht doch einen gerechten Gott im Himmel gab, der ihr nach so vielen Jahren nun endlich wieder Glück zusprach.
    Auch wenn die Reihen sichtlich gelichtet waren und der Grund dafür schmerzliche Erinnerungen hervorrief, freuten sich die beiden Paare über jeden einzelnen der Anwesenden. Zu Alberts, Thiderichs und Walthers großer Freude waren sogar die Spielleute Judda und Sibot mit ihrem Gefolge gekommen, um die Gäste mit ihren Darbietungen zu unterhalten und ihre Freunde hochleben zu lassen. In den letzten Jahren hatten sie Hamburg ein ums andere Mal besucht und waren dann stets in Alberts Haus willkommen gewesen.
    Selbst Walther, an dem bekanntlich ein Spielmann verloren gegangen war, überraschte alle Anwesenden mit einer eigens verfassten Minne über seine wunderschöne Braut. Nachdem er geendet hatte, verbeugte er sich formvollendet vor ihr und lüpfte kurz seinen Hut. Sichtlich entzückt klatschte Runa in die Hände und warf ihm zum Dank eine Kusshand zu.
    Auch wenn er fühlte, dass ihr Herz noch immer Johann gehörte, war Walther an diesem Tage doch zuversichtlich, ihre Liebe bald zu gewinnen. Er jedenfalls liebte Runa von ganzem Herzen und war bereit, alles tun, um sie an seiner Seite glücklich zu machen.
    Tatsächlich war Runas Herz an diesem Tage schwer, doch sie wusste, dass sie das Richtige getan hatte. Von Dritten hatte sie gehört, dass Johann nach dem Gerichtstag überstürzt die Stadt in Richtung Lübeck verlassen hatte, wo er die nächste Zeit verbringen

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