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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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letztes Mal in die Runde und gab schließlich nickend das Zeichen dafür, dass der Richterspruch ab sofort seine Gültigkeit hatte.
    Die gespannten Blicke aller richteten sich auf Albert. Es war nicht ganz klar, was die Bürger erwarteten, doch egal, was es war, der Begünstigte tat nichts von alledem.
    Albert konnte zunächst nicht glauben, was soeben passiert war. Die Last vieler vergangener Jahre fiel plötzlich von seinen Schultern. Doch anstatt etwas zu sagen, wagte er für einen kurzen Moment, seine Augen zu schließen und sich der Erleichterung hinzugeben. Es war vorbei. Endlich hatte er Antworten auf so viele Fragen. War nicht jetzt eigentlich der richtige Moment, um sich zu freuen? Seine Gefühle waren nur schwer zu deuten. Conrad hatte ihren Vater getötet. Warum nur war ihm all die Jahre nichts aufgefallen? Wie anders hätte sein Leben verlaufen können, wenn sein Bruder das Testament nicht gefälscht und alles an sich gerissen hätte. Er wäre niemals auf die Reise nach Flandern gegangen, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Ragnhild wäre nie die Frau eines anderen Mannes geworden, und seine Söhne wären ihm nie fremd geworden. Betrübt fragte er sich, ob sein Leben nicht bereits verwirkt war wie das von Conrad. Hatte er nicht alles verloren, was ihm lieb und teuer war? Schwermut drohte sich auf sein Herz zu legen. Tief sog er die Luft dieses klaren Augusttages ein. Dann öffnete er wieder die Augen. »Nein«, flüsterte er schließlich mit fast unbewegten Lippen. Ab heute würde sein Leben neu beginnen. Niemals würde er mehr zulassen, dass jemand ihn von Ragnhild trennte. Er öffnete die Augen und schaute zu Runa und ihrer Mutter. Beide hatten rot geweinte Augen. Ihr Anblick wärmte Albert das Herz.
    Ragnhild war noch immer schön. Auch wenn sich im Alter von sechsunddreißig Jahren bereits einige Falten um ihre Augen abzeichneten, waren ihre Züge noch fast genauso ebenmäßig wie damals. Die Strapazen der vergangenen Tage ließen sie nur ein wenig müder wirken als sonst. Noch immer hatte sie die gleichen wunderschönen Augen, und auch heute schauten ein paar Strähnen ihrer hellblonden Haarpracht unter der Haube hervor.
    Albert lächelte sie an, und sie lächelte zurück. Nichts von ihrer Liebe hatten sie beide in den vielen Jahren eingebüßt. Entschlossen ging er auf sie zu. Ragnhild ahnte anhand seines Blickes schon, was nun folgen würde, und fing vor Vorfreude an zu weinen.
    Zärtlich nahm er ihre Hände in die seinen und fragte sie: »Willst du noch einmal meine Frau werden?«
    Ihr lautes Lachen stand im starken Kontrast zu ihren Tränen. »Ja, ich will!«, war ihre zittrige Antwort, worauf großer Jubel ausbrach.
    Überglücklich schloss Albert seine Ragnhild in die Arme. Es fühlte sich so vertraut an. Fast so, als hätte es die fünfzehnjährige Trennung nie gegeben.
    Runa weinte. Sie weinte, weil sie sich so sehr freute, und sie weinte auch, weil ihr dieses Glück mit Johann niemals beschert sein würde. Sehnsuchtsvoll suchte ihr Blick den seinen, während sie sich instinktiv an den Bauch fasste. Sie bemerkte nicht, dass Walther sie dabei beobachtete. Fassungslos folgte sein Blick dem ihren, und erst als Johann ihr den gleichen leidenschaftlichen Blick zurückwarf, verstand Walther Runas Verzweiflung. Johann Schinkel, der Ratsnotar der Stadt Hamburg, war der Vater von ihrem Kind!
    Obwohl Walther eifersüchtig oder gekränkt angesichts des unerreichbaren Rivalen hätte sein müssen, fühlte er dennoch etwas anderes. Er wusste, dass eine Verbindung zwischen den beiden niemals würde bestehen können, und er verstand die Hoffnungslosigkeit dieser Liebe. Obwohl Johann Schinkel weit reicher und mächtiger war als er, besaß Walther dennoch etwas, worüber der geistliche Ratsnotar nicht verfügte. Es war der Hauch einer Möglichkeit, dass sich sein Leben gleich für immer veränderte. Mit pochendem Herzen ging er auf Runa zu und sagte leise ihren Namen. »Runa.«
    Keiner um sie herum beachtete die beiden; nur der Blick Johanns heftete sich beißend auf Walthers Rücken.
    Runa fuhr schreckerfüllt herum, sodass sie direkt vor ihm stand. Die Hand noch immer auf dem Bauch ruhend, wurde ihr schlagartig klar, dass ihr unbedachtes Verhalten sie ein weiteres Mal verraten hatte.
    »Runa«, wiederholte Walther, »deine Liebe zu ihm kann und darf nicht sein, und du weißt das. Auch wenn du sein Kind in deinem Leib trägst, wird er dich niemals zu seiner Frau machen können.«
    Sie wollte sich

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