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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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ein Mann mit zwei Söhnen ein Vorbild für seine Sprösslinge sein sollte. Darum habe ich beschlossen, dass es Zeit wird, Albert endlich in die Tuchhandelsgeschäfte einzuführen.« Bei diesen Worten legte Conrad seinem Bruder die Hand auf die Schulter.
    »Hört, hört«, gab Willekin knapp von sich.
    Albert konnte seine Ungeduld kaum mehr verbergen und wartete ruhelos auf die Fortsetzung der brüderlichen Worte.
    »Das erwartete Schiff aus Flandern ist heute eingelaufen«, begann Conrad knapp. »Und die Ware ist besser denn je, meine Herren. Kostbarstes Tuch in unglaublichem Krapprot, Indigoblau und sogar Grün!«, beschrieb Conrad lebendig.
    Willekin und Albert konnten die Begeisterung Conrads nachvollziehen und zogen anerkennend die Augenbrauen hoch. Wo das einfache Volk gediegene Farben wie Braun oder Grau trug, waren die Bürgersfrauen ganz verrückt nach auffällig leuchtenden Farben. Die Preise für diese bunten Stoffe richteten sich neben der Qualität und dem Aufwand der Beschaffung natürlich auch nach dem Aufwand, den die Färber betreiben mussten, um die Farbe herzustellen. So entstand Rot entweder aus der Krappwurzel oder dem Körpersaft von getrockneten Kermes-Schildläusen. Blau hingegen wurde aus Waid gewonnen, welcher mit menschlichem und alkoholgeschwängertem Urin angereichert wurde. Grün war, aufgrund der erforderlichen Mischung der Farben Gelb und Blau, besonders teuer. Es wurde durch Überfärben von Färberwau und Waid gewonnen und erforderte mehrere Arbeitsschritte, deren Aufwand den grünen Stoff für die edlen Damen Hamburgs ganz besonders reizvoll machte.
    Während die Männer sich einige Beispiele des farbigen Tuchs anschauten, erzählte Conrad weiter.
    »Das, was Ihr gerade in den Händen haltet, meine Herren, ist allerdings nahezu der ganze Rest von dem, was mir noch von der Ware geblieben ist. Kaum hatte der Lieferant das Tuch abgeladen, kam Voltseco von der Mühlenbrücke herbeigeeilt. Manchmal glaube ich, er kann gutes Tuch riechen. Nun ja, ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe schon jetzt fast alles an den gierigen Hund verkauft und damit fast doppelt so viel eingenommen, wie ich in Gent für die Ware bezahlt habe.«
    Willekin und Albert schauten ungläubig von den kleinen Tuchfetzen in ihren Händen auf.
    »Ich hatte Glück«, erklärte Conrad, während er lächelnd die Schultern zuckte. »Seine eigene Lieferung verspätet sich bereits um zwei Wochen, und er fürchtet, sie dieses Jahr gar nicht mehr zu bekommen.« Ein breites Grinsen legte sich auf Conrads Gesicht. »Bereits am Hafen lauerte er mir auf wie ein Dieb; so sehr wollte er das Tuch.«
    Voltseco gehörte zur fleißigen Familie derer von der Mühlenbrücke. Seine Brüder Helpwin und Thedo waren ebenso wie die von Holdenstedes im Tuchhandelsgeschäft und außerdem Mitglieder des ehrenwerten Hamburger Rates. Voltseco hingegen hatte sich einen Namen als Hamburgs bester Gewandschneider gemacht. Nur die edelsten Damen der Stadt suchten ihn auf, um sich von ihm Kleider nach der neuesten Mode schneidern zu lassen. Doch ebenso, wie er der Arbeit mit Nadel und Faden zugetan war, brachte ihn das Geschäft mit den Tuchen auch häufig in Bedrängnis. Oftmals schien ihm das Begleichen von Schulden nicht die erste Pflicht zu sein. Diese Nachlässigkeit hatte bereits dazu geführt, dass er für ein ähnliches Geschäft wie das mit Conrad die Hälfte seines Erbes in der Reichenstraße verpfändet hatte. Seine Frau Agatha hatte ihm damals die Hölle heißgemacht, aus lauter Angst davor, bei Nichtbegleichen der Schuld tatsächlich Haus und Hof zu verlieren. Noch immer klang Conrad das Gezeter des Weibes in den Ohren, welches auch noch einige Häuser weiter zu hören gewesen war.
    Schließlich fragte Willekin, was auch Albert schon auf der Zunge lag: »Hat er deine Tuche etwa sofort bezahlt?«
    »Nein«, gab Conrad wahrheitsgemäß zurück. »Er hat sich bereit erklärt, die gesamte Schuld von sechsundfünfzig Silbermark vor Zeugen zu bestätigen und die Rückzahlung schriftlich zu regeln. Eine Anzahlung von zwanzig Silbermark hat er mir sofort gegeben. Der restliche Betrag wird dreigeteilt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er mir jeweils zwölf Mark zu Pfingsten, zwölf zum Jacobitag und wieder zwölf zum Martinsfest bezahlen wird.« An seinen Freund Willekin gewandt, fragte Conrad: »Ich wollte dich bitten, mir als Zeuge bei der Unterzeichnung einer Schuldurkunde zu dienen. Bei der Höhe der Summe will ich sichergehen, dass Voltseco

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