Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
Vom Netzwerk:
Mahl der von Holdenstedes zu begeben, schmolz sein Vorhaben unter dem erhabenen Blick des immer ernsten Mannes dahin. Albert hasste sich für seine Schwäche dem Spitzbärtigen gegenüber, doch noch viel mehr hasste er den Spitzbärtigen selbst. Außerdem verfluchte er den Umstand, von seinen Eltern überhaupt in diese Lage getrieben worden zu sein, indem sie zu Zeiten, da er noch keine Ahnung hatte, was eine Ehe bedeutete, ein Eheversprechen mit Ingrids Eltern ausgehandelt hatten, welches einzuhalten er sich später einfach nicht mehr in der Lage gesehen hatte. Auch wenn er eigentlich wusste, dass Liebe in einer Ehe nicht mehr als ein glücklicher Zufall war und schon gar kein Recht, das man fordern konnte, wollte er dennoch nicht darauf verzichten. Er liebte Ragnhild – damals wie heute –, und für diesen Eigensinn büßte er nun bereits vier Jahre lang.
    Tatsächlich galt Ingrid damals als gute Partie. Die Mitgift war hoch und ihre Abstammung vorbildlich. Es war absolut unüblich, eine solche Verbindung auszuschlagen. Tief im Inneren konnte Albert die Kühle des Dominus Willekins ihm gegenüber sogar nachvollziehen, stellte eine widerrufene Verlobung doch eine große Schande für die Familie dar. Nach dieser Schmach war es undenkbar gewesen, die zurückgewiesene Tochter Ingrid einem anderen zur Frau zu geben. Mädchen, die bereits versprochen gewesen waren, gehörten nicht zu den beliebtesten Partien und waren gemeinhin nur noch schwerlich zu vermitteln. Um durch vergebliche Vermittlungsversuche nicht noch mehr Stolz einzubüßen, hatte Willekin seine einzige Tochter damals gezwungen, gleich ins Beginenkloster einzutreten.
    Albert plagte damals sehr wohl ein schlechtes Gewissen, doch beim bloßen Gedanken an die abstoßende Ratsherrntochter schüttelte es ihn noch immer. Nie im Leben hätte er sich vorstellen können, mit ihr das Ehebett zu teilen. Selbst seinem ärgsten Feind würde er ein solches Weib nicht wünschen. Nein, Ingrid war gut aufgehoben, dort wo sie war – im Kloster –, denn Gott liebte alle Geschöpfe, auch die hässlichen!
    Nach einer angemessenen Begrüßung der Nachbarn wurden die Glückwünsche ausgesprochen.
    »Ich gratuliere dir zu deinen Söhnen, Albert«, sprach Willekin mit unbewegter Miene. Er ließ es wie immer an der ehrerbietenden Anrede dem Jüngeren gegenüber fehlen.
    Albert ärgerte sich darüber; durfte sich selbst diese Unhöflichkeit gegenüber dem weitaus Älteren aber natürlich nicht erlauben.
    »Ich danke Euch von Herzen, Dominus Willekin. Der Herrgott war gütig zu mir. Eigentlich gebührt ihm allein der Dank«, erwiderte Albert tadellos.
    »Ist Eure liebe Frau wohlauf?«, fragte Hildegard von Horborg leise und, im Gegensatz zu ihrem Mann, mit der gebührenden Höflichkeit.
    »Ja, meine Liebe. Sie ist wohlauf und schläft derzeit einen geruhsamen Schlaf.« Die Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, da fragte er sich, ob dies auch wirklich stimmen mochte. Zwar war er nach dem Gespräch mit Conrad noch einmal in ihrer Kammer gewesen und hatte sie beim Schlafen beobachtet, doch seither hatte er sie noch nicht wieder sehen können. »Ich werde ihr von Eurer Nachfrage berichten«, ließ er Hildegard noch wissen.
    Ein abschließendes Kopfnicken beendete die Konversation der beiden. Unbeschwertes Geplauder zwischen nicht miteinander Verheirateten unterschiedlichen Geschlechts konnte schnell als ungebührlich empfunden werden. Es war üblich, dass sich Frauen und Männer nach dem Austausch von Höflichkeiten getrennt voneinander unterhielten. Häufig zogen sich die Frauen nach dem Essen sogar gänzlich aus dem Raum zurück. Erst dann begannen beiderseits die Gespräche, die für das andere Geschlecht tabu waren.
    Schon oft hatte es in der Vergangenheit Tage gegeben, an denen Albert gern mit den Frauen aus der Stube gegangen wäre, anstatt sich darüber ärgern zu müssen, wie wenig ihm Conrad in den geschäftlichen Angelegenheiten zutraute. Doch heute sollte es endlich anders werden, und er konnte diesen Teil des Abends kaum erwarten. So unangenehm ihm die Gegenwart Willekins auch war, heute würde er sie gern ertragen, um nur endlich zu erleben, wie Conrad ihn in die Geschäfte einbezog. Nach dem Essen kam es endlich zu dem ersehnten Augenblick, und Albert erwartete mit Spannung die ihm zugedachte Aufgabe.
    »Dieser Tag hat dem Hause von Holdenstede wahrhaft Wunderbares beschert«, begann Conrad großspurig. »Sicher werdet Ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass

Weitere Kostenlose Bücher