Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
der Schiffsherr. Die positive Art des Seebären stimmte auch Albert nun etwas um. Wenn der Schiffsherr dieses morschen Bretterhaufens so froher Stimmung war, sollte auch er nicht schwermütig sein. Sicher würde alles gut gehen, besänftigte er sich selbst. Dann gab er sich einen Ruck und sagte: »Also gut, lasst uns hineingehen und über das Finanzielle sprechen, damit wir so schnell wie möglich ablegen können.«
Er folgte Arnoldus in seine Kajüte. Alles an Bord war aus Holz. Bei jedem Schritt knarrte und knackte es unter seinen Füßen, und Albert konnte nicht leugnen, dass er kein Vertrauen in dieses Ungetüm hatte.
Arnoldus bemerkte seinen Blick und sagte: »Ihr könnt meiner alten Dame ruhig vertrauen, Herr. Sie ist nicht die Schönste, aber sie hat schon viele Meilen auf See hinter sich.« Mit einem kräftigen Ellenbogenhieb in Alberts Seite setzte er nach: »Die erfahrenen Dirnen sind doch auch nicht immer die schönsten, aber sie verstehen ihr Handwerk.« Darauf begann er dröhnend zu lachen.
Seinem skeptischen Fahrgast hingegen konnte er nur ein schmerzverzerrtes Nicken entlocken.
Sichtlich erfreut über seinen eigenen Scherz, hielt sich der grauhaarige Seebär den bebenden Bauch und entblößte dabei eine lückenhafte Reihe gelber und schwarzer Zähne. Erstaunlicherweise hatte der anzügliche Vergleich für Albert tatsächlich etwas Wahres und ließ nun auch ihn schmunzeln. Dann folgte er dem Schiffer ohne weitere Worte über den oberen Plankengang in die Schiffsherrnkajüte. Im Gegensatz zu Arnoldus’ Äußerem war hier alles aufgeräumt. Albert wusste, dass die Rangniedrigsten regelmäßig dazu angetrieben wurden, diese Kammer zu schrubben. Demnach war der Glanz nicht Arnoldus, sondern einem seiner fleißigen Schiffsjungen zuzuschreiben. Sie setzten sich an den Tisch in der Mitte des kleinen Raums, welcher am Boden befestigt war, damit er bei hohem Wellengang nicht umfiel. Alberts Blick fiel auf ein rundes Gefäß, das flach mit Wasser gefüllt war. In seiner Mitte schwamm ein Brettchen, und darauf lag ein Stein. Nur mit großer Mühe konnte Albert ein Aufstöhnen unterdrücken. Wie wunderbar doch dieser ungenaue und darum eigentlich unbeliebte Kompass mit einem Magnetstein zu der maroden Resens passte!
Arnoldus entging der skeptische Blick seines Gastes nicht. Er war zwar ein derber Geselle, doch er war nicht dumm. Mit einem etwas zu lauten Geräusch ließ er zwei Becher auf den Tisch schnellen und holte den in sich gekehrten Albert wieder in die Gegenwart zurück. »Nun schaut doch nicht so verdrießlich drein, Herr. Die See wird uns schon nicht verschlingen. Habt Vertrauen zu meinem Schiff.«
Albert war drauf und dran zu protestieren. Welcher Mann wollte schon vor einem anderen als ängstlich gelten? Doch der Schiffer war schneller. Geschwind hatte er die Becher mit einen ordentlichen Schluck Branntwein gefüllt und schob einen davon Albert entgegen.
»Lasst uns lieber auf Kaiser Barbarossa trinken, der uns Hamburgern mit seinem Freibrief den teuren Gang zum Zollherrn erlassen hat.«
Albert nickte und stürzte danach den bitterscharfen Inhalt in einem Zug hinunter. Der Schiffer verstand es, ihn aufzuheitern. Im Gegensatz zu fremden Kaufleuten, die vor der Ausfahrt aus dem Hafen beim Zöllner einen Zoll auf ihre auszuführenden Waren zu entrichten hatten, erging es den Hamburgern gut. Sie mussten kein Zollzeichen am Stadttor vorzeigen, um freie Fahrt zu bekommen. Bis zur Nordsee waren sie von Zöllen befreit. Mit verzogener Miene wegen des unangenehmen Geschmacks des Branntweins sagte Albert: »Ich gebe Euch recht, Arnoldus. Für dieses Privileg hat Barbarossa wahrhaft einen Trunk auf sein Wohl verdient. Gott habe ihn selig.«
Arnoldus grinste und schenkte Albert ungefragt nach. »Trinkt noch einen, Herr. Ich werde jetzt den Befehl zum Ablegen geben.« Daraufhin verließ er die Kajüte.
Es war alles gesagt. Conrad hatte den Schiffer bereits beim Anheuern der Kogge bezahlt. Die Vorräte waren verstaut und alle Kisten vertäut. Die Reise begann.
Albert ging wieder an Deck und blickte noch einmal in den Hafen hinunter. Die Leinen der Resens wurden gelöst, und die Kogge setzte sich langsam in Bewegung. Wie so oft lag auch heute ein leichter Nieselregen in der Hamburger Luft und benetzte sein Gesicht. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Reise. Der übereilte Aufbruch hatte ihm keine Gelegenheit gelassen, noch ein Testament aufzusetzen, wie es eigentlich unter Reisenden üblich war. Es
Weitere Kostenlose Bücher