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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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lag im Kindbettfieber.
    Zusammen mit Hilda saß Albert nach schier unendlichen Momenten der Angst und Ungewissheit nun in der Küche. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten sich überschlagen.
    Kurz nachdem der Schrei der Magd die Kinder geweckt hatte, waren Luburgis und Hildegard aus dem Handarbeitsraum in die Kammer von Ragnhild gestürmt.
    Jetzt ging alles sehr schnell. Die Waden der Kranken wurden mit feuchten Leinen gekühlt und ihre Zwillinge von ihr getrennt. Man baute ihnen provisorische Betten im Handarbeitsraum auf und besorgte ihnen eine Amme aus der Stadt, die für die Milch sorgen sollte.
    Ragnhild war nicht mehr ansprechbar. Nachdem der Heilkundige gegangen war, hatte Albert an ihrer Seite gewacht. Das Gefühl der Hilflosigkeit war für ihn schier unerträglich gewesen. Nach einiger Zeit wurde er von Marga abgelöst.
    Mutter und Tochter hatten sich darauf verständigt, die ganze Nacht abwechselnd an Ragnhilds Bett zu wachen. Albert sollte etwas schlafen können, bevor er am kommenden Morgen nach Flandern aufbrach.
    Doch obwohl es weit nach Mitternacht war, war an Schlaf für ihn gar nicht zu denken. Stattdessen schüttete er Hilda sein Herz aus. »Ich kann unmöglich morgen nach Flandern fahren, wenn Ragnhild so krank daniederliegt. Die Reise kann aber auch keinen Tag länger warten. Schon jetzt ist es eigentlich viel zu spät im Jahr für eine solche Fahrt. Was soll ich nur tun, Hilda?« Albert vergrub das Gesicht in seinen Händen.
    Auch wenn Hilda selbst nicht daran glaubte, versuchte sie ihn aufzumuntern, indem sie sagte: »Vielleicht lässt sich Conrad doch noch dazu bewegen, einen anderen Mann zu schicken. Die Lage ist jetzt schließlich eine ganz andere als noch vor wenigen Stunden.«
    »Ach, du kennst ihn doch. Nichts und niemand wird ihn mehr umstimmen können – es ist hoffnungslos.«
    Hilda wusste, was er damit gemeint hatte. Ja, sie kannte Conrad. Schon sein ganzes Leben lang. Auch sie ahnte, dass er sich nicht umstimmen lassen würde. Ein längeres Schweigen folgte, und die Magd nutzte die Chance, um dem Verzweifelten einen Becher Wein zu bringen. »Was glaubt Ihr, wie die Dame Ragnhild entscheiden würde?«, fragte sie plötzlich.
    Albert sah auf. »Was meinst du?«
    »Ich denke, dass sie wollen würde, dass Ihr fahrt. Sie würde wollen, dass Ihr alles versucht, um ein geschäftstüchtiger Tuchhandelskaufmann zu werden. Meint Ihr nicht?«
    Zunächst etwas verblüfft über ihre Worte, schwieg Albert einen Moment. Sogleich versuchte er, sich die Szenerie wahrhaftig vorzustellen. Ja, sie würde ihm wahrscheinlich wirklich gut zureden und versuchen, ihn von der Flandernreise zu überzeugen. Für sie und Runa war das Leben unter Luburgis nicht einfach. Auch wenn sie sich so gut wie niemals bei ihm beschwert hatte, wusste Albert dennoch, wie sehr sie unter seiner Schwägerin litt. Hilda hatte recht. Ragnhild würde wollen, dass er ginge. Und sie würde wollen, dass er erfolgreich wäre. »Du kennst sie wirklich gut, Hilda«, sagte er mit einem einseitigen Lächeln in ihre Richtung. »Wirst du dich um sie kümmern, wenn ich weg bin?«
    Diese Frage war eigentlich keine. Er wusste, dass Hilda alles tun würde, um Ragnhild gesund zu pflegen.
    Es war sehr früh am Morgen, als Albert das Haus verließ. Er hatte das Gefühl, während der kompletten Nacht, die er teils in der Küche und teils in dem Sessel vor dem Kamin der Stube verbracht hatte, nicht ein Auge zugetan zu haben.
    Conrad war noch einmal alle Einzelheiten der Reise mit ihm durchgegangen und stellte schlussendlich noch eine Vollmacht zum Erwerben der Tuche aus. Albert hatte alles ruhig mit angehört und versucht, es zu verinnerlichen. Erst jetzt, da er sich am Hafen befand, wurde ihm bewusst, wie aufgeregt er eigentlich war. Auch wenn er seinen Vater früher auf Reisen begleitet hatte, so fühlte er sich heute doch, als stünde ihm seine erste Schifffahrt bevor. Einen entscheidenden Unterschied zu damals gab es heute nämlich doch; noch niemals war er in der Ferne auf sich allein gestellt gewesen.
    Albert schämte sich seiner weibischen Ängste und schalt sich einen Narren. Schließlich war es kein schwerer Auftrag – trotz der beschwerlichen Reise. Er kannte den flandrischen Kaufmann bereits von früheren Besuchen und hatte an Bord sogar noch einen sprachkundigen Steuermann dabei. Ihm konnte nichts geschehen. Er war auf alles vorbereitet. Auf alles; nur auf eines nicht.
    Was würde er tun, wenn er zurückkam, und seine Ragnhild

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