Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
wäre tot? Es war nicht ungewöhnlich, dass Frauen am Kindbettfieber starben. In ihm zog sich alles zusammen. Ich darf jetzt nicht daran denken, maßregelte er sich selbst. Konzentriere dich auf die Reise.
Er beschleunigte seinen Schritt und lief entschlossen den Hafen entlang. Das Schiff sollte schon bereitstehen, hatte Conrad gesagt, und eine Beschreibung der genauen Anlegestelle sollte Albert helfen, es ausfindig zu machen. Außer der Tatsache, dass die Kogge den Namen Resens trug, wusste Albert noch, dass sie zu einem Drittel dem Schiffer selbst gehörte. Die anderen beiden Drittel nannten zwei Albert flüchtig bekannte Ratsmänner ihr Eigen, was jedoch keinesfalls unüblich war.
Der Schiffsherr der Resens hieß Arnoldus Zalghe und gehörte, wie viele der in Hamburg lebenden Schiffer, der Mittelschicht an. Auch ihn kannte Albert noch von früheren Geschäften mit dem Vater. Damals war er zwar immer freundlich zu ihm, aber umso strenger mit seinen Schiffsjungen gewesen, die zu der Zeit häufig genauso alt wie Albert gewesen waren. Sie mussten die niedersten Arbeiten an Bord verrichten und wurden nicht selten mit Schlägen bestraft. Inzwischen musste Arnoldus knapp fünfzig Jahre alt sein und gehörte damit zu den etwas betagteren Seebären.
Albert lief die Kaimauer bis zum Ende entlang und wich dabei geschickt den stinkenden Pfützen aus, in denen allerhand Fischgedärme schwammen. Am liebsten hätte er sich etwas vor die Nase gehalten, doch was hätte das schon gebracht? Dieser Geruch würde ihm schließlich die nächsten Wochen folgen wie sein eigener Schatten.
Dann, völlig unvermittelt, stand sie plötzlich vor ihm, die Resens ! Staunend hielt Albert inne, allerdings nicht vor Bewunderung, sondern vielmehr, weil ihn bei ihrem Anblick starke Zweifel befielen, ob dieses Schiff es überhaupt das Nikolaifleet hinunter schaffen würde – ganz zu schweigen vom Bewältigen der stürmischen Nordsee.
Die Resens kam ihm vor wie ein altes Pferd mit hängendem Kopf. Grünspakige Taue schwangen müde im Wind, und der Teeranstrich des Schiffs blätterte an allen Seiten ab. Die glitschigen überlappenden Planken der Schiffswand wurden durch morsch anmutende Holznägel zusammengehalten, und die dazwischen liegenden Fugen waren lückenhaft mit Kalfatermaterial abgedichtet. In der Mitte der Kogge befand sich der baumdicke Mast mit seinem löchrigen Wachkorb am Ende. Hier dran waren die Segel des Einmasters befestigt, welche auch schon erste Flicken aufwiesen und deren einstiges rot-weißes Streifenmuster nur noch mit Mühe und gutem Willen zu erkennen war. Dieses Schiff war mit Abstand das Klapprigste im ganzen Hafen. Am liebsten wäre Albert zurück zu Conrad gelaufen und hätte ihn zur Rede gestellt. Warum heuerte er ein Schiff in diesem Zustand an, wenn es darauf ankam, die zurückzulegende Strecke in Bestzeit zu schaffen? Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein!
Albert suchte nach Erklärungen. Vermutlich war jedes andere Schiff unter den gegebenen Umständen unbezahlbar gewesen. Da so spät im Jahr niemand mehr hinausfahren wollte, konnte er sich den Preis nicht mit mitfahrenden Kaufleuten teilen und musste ihn allein aufbringen.
In diesem Moment entdeckte er Arnoldus. Das Haar unter seiner Schiffsherrnmütze war grau geworden und hing ihm in fettigen Strähnen im Nacken. Sein fleckiges Hemd spannte über seinem dicken Bauch, und die wettergegerbte Haut schien faltiger zu sein als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Die brummende Stimme des Schiffers tönte über das Deck und war auch noch deutlich von Albert, der am Kai stand, zu vernehmen. So rau er auch wirken mochte, so wusste Albert doch, dass Arnoldus ein guter Kerl war. Er galt als grundehrlich und war deshalb beliebt unter den Kaufleuten.
»Mein Herr!«, rief er herunter und winkte knapp. Gleich darauf stapfte er den dünnen Steg geübt hinunter. »Pünktlich, wie schon Euer Herr Vater es war. Das gefällt mir.« Freundlich reichte er Albert die schmierige Hand.
»Seid gegrüßt, Arnoldus. Ich sehe, das Schiff ist bereit?«, stellte Albert mit fragendem Unterton fest.
»Bereit und startklar, Herr. Meine dicke Dame ist immer bereit.«
Albert kannte die Sitte der Schiffsführer, von ihren Koggen zu reden, als wären sie Frauen. Diese Eigenart kam ihm äußerst komisch vor, da Frauen selbst an Bord verboten waren, weil sie angeblich Unglück brachten. »Gut, sind meine Kisten an Bord?«
»Selbstverständlich, wir können sogleich ablegen«, bestätigte
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