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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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das Weltenende, das der Menschheit schon ein Dutzend Male prophezeit wurde – zum letzten Mal übrigens für das laufende Jahr –, findet bei ihm kaum noch Gehör. Seine Heiligkeit ist ausschließlich am Tempelschatz des Königs Salomo interessiert. Seine Heiligkeit braucht Geld, mehr Geld, als alle Ablässe der Welt einzubringen in der Lage sind. Das heißt, Papst Clemens würde Euch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den ›Büchern der Weisheit‹ überlassen.«
    Ratlos schlug Magdalena die Hände vors Gesicht. Selbst wenn sie bereit gewesen wäre, den Verrat zu begehen, sie konnte es nicht, denn das Versteck war ihr selbst nicht bekannt.
    Vom Gegenteil überzeugt, deutete Giustiniani ihre zögernde Haltung, als bräuchte sie Zeit, den folgenschweren Entschluss zu fassen. »Wir geben Euch eine Nacht und einen Tag, um eine Entscheidung zu treffen«, bemerkte er ziemlich ungehalten. »Morgen zur selben Stunde, hier im Parlatorium!«
    Hinter vorgehaltenen Händen schluchzte Magdalena: »Ich kann nicht – selbst wenn ich wollte – ich kann nicht…«
    Da sprang Kardinal Giustiniani auf, dass sein Stuhl polternd umfiel.
    »Komm!«, zischte er halblaut an seinen Palastprälaten gewandt. Der riss wütend die Türe auf. Im Gehen wandte sich der Kardinal noch einmal um und rief laut und bedrohlich: »Eine Nacht und einen Tag! Und überlegt Euch gut, ob Ihr weiter schweigen wollt. Die Dominikaner der Inquisition sind noch immer im Kloster!«
    Knarrend fiel die Türe ins Schloss.

17. KAPITEL
    D er Verzweiflung nahe, suchte Magdalena ihre Kammer auf. Mit der ständigen Angst im Nacken, die Dominikaner könnten sie erneut anklagen, ließ sie sich in Kleidern auf ihr Bett fallen.
    Magdalena dachte nach.
    Wem konnte sie noch trauen?
    Dem undurchsichtigen Kardinal Giustiniani? Matthäus Schwarz, dem Weltgewandten, der ausgerechnet ihr, der Gauklerin, den Hof machte? Oder Schweinehirt, dem Bibliothekar? Ihm traute sie noch am ehesten.
    Zu den Gauklern zurückzukehren schien wenig ratsam. Offenbar hatte Forchenborn die Führerschaft der Truppe übernommen, und seine Aussage vor den Dominikanern sollte dazu dienen, sich Magdalenas auf hinterhältige Weise zu entledigen. Von Anfang an hatte sie den Marktschreier für einen gefährlichen Intriganten gehalten.
    Noch immer ging ihr die unerwartete Begegnung mit der tot geglaubten Xeranthe durch den Kopf, und in solchen Augenblicken ertappte sie sich bei dem Gedanken, sie könnte das alles nur geträumt haben. Der Hass zwischen ihnen war grenzenlos. Zweimal hatte Xeranthe ihr bereits nach dem Leben getrachtet – sie würde es auch ein drittes Mal versuchen.
    Da wurden Erinnerungen wach an das behütete Leben im Kloster Seligenpforten, wo sie zu keiner Zeit um ihr Leben fürchten musste, und Magdalena war geneigt, die beschaulichen Tagezurückzuwünschen. Aber, wie das so ist im Leben, die Zeit behält nur das Angenehme im Gedächtnis und drängt das Leidige aus der Erinnerung.
    Die Hölle, in der sie sich damals in Seligenpforten wähnte, wurde auf diese Weise zum arglosen Fegefeuer. Ein Zurück gab es ohnehin nicht, denn nach einem ungeschriebenen Gesetz durfte eine Novizin, die ihr Kloster einmal verlassen hatte, nie mehr dorthin zurückkehren.
    In ihrer Ratlosigkeit ging Magdalena so weit, Rudolfo zu verfluchen, der ihr diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Rückblickend wurde ihr immer klarer, dass sie den Seiltänzer nicht wirklich geliebt hatte, dass nur die Neugierde einer unerfahrenen Jungfer sie dazu verleitet hatte, sich mit ihm einzulassen.
    Der Einzige, der ihr aus dieser schier ausweglosen Situation helfen konnte, war der Gesandte des Reichsgrafen Fugger, Matthäus Schwarz. Nie zuvor war Magdalena einem Mann von so einnehmendem Äußeren begegnet, einem Bild von einem Mann, dessen kühles Kaufmannsgesicht über die Empfindsamkeit und Offenheit eines Jünglings hinwegtäuschte. Sie wollte einfach nicht glauben, dass sich hinter seinem Verhalten ihr gegenüber ein unnachsichtiger, gnadenloser Geldeintreiber verbarg, den sogar Papst und Kaiser fürchteten.
    Und ausgerechnet dieser Mann bot ihr, der kleinen Novizin aus Seligenpforten, eine Stellung im Großunternehmen des Jakob Fugger an, verfolgte sie mit Schmeicheleien und versprach ihr eine rosige Zukunft? Eine innere Stimme sagte Magdalena: Lass die Finger von diesem Mann. Das Glück kommt oft in schönen Gewändern und trägt darunter Lumpenkleider.
    Während Magdalena so auf dem Bett lag, die Hände

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