Die Frau des Seiltaenzers
Fugger, die Domstadt verlassen, ohne Zins und Zinseszins vom erlauchten Albrecht von Brandenburg erhalten zu haben, was diesem die Schmach ersparte, den Domschatz verpfänden oder die besten Stücke herausgeben zu müssen. Schwarz,bekannt und gefürchtet wegen seiner Härte, mit der er Schulden einzutreiben verstand, hatte keineswegs aus Mitleid gehandelt, als er sich unverrichteter Dinge zurückzog. Auch leere Versprechungen vonseiten Seiner kurfürstlichen Gnaden hätten ihn nicht umgestimmt. Der Grund für seine überstürzte Abreise lag vielmehr in der Nachricht, die ein Reiterpulk aus dem fernen Augsburg überbrachte, der reiche Fugger habe, sechsundsechzigjährig, das Zeitliche gesegnet.
Der Tod des Fuggers verlangte Schwarzens Anwesenheit, denn der Reichsgraf hatte keinen direkten Erben, nur zwei Neffen, sechsunddreißig und zweiunddreißig Jahre alt, und die hatten schon zu Lebzeiten spekuliert, welches Stück von dem Kuchen wem zufallen sollte. Auf Matthäus Schwarz, von seinem Herrn mit bedeutsamen Vollmachten ausgestattet, kamen aufregende Zeiten zu.
Dem Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg mochte das alles egal sein. Er dankte Gott dem Herrn für die unerwartete Errettung aus drohender Schmach und wies den Dompropst Johann von Schöneberg an, mit seinen Domherren zwölf Dankesmessen am Stück und daran anschließend eine achtundvierzigstündige Vigil zu halten. Er selbst werde es sich nicht nehmen lassen, während des zwei Tage und Nächte währenden Endlosgebets eine von ihm gestiftete vierzehn Pfund schwere Kerze aus rheinischem Bienenwachs zu entzünden und abschließend mit eigener Stimme das Te deum zu intonieren.
Zwischen Albrecht von Brandenburg und seinem Sekretär Joachim Kirchner war es zu Spannungen gekommen, nachdem Seine kurfürstliche Gnaden Kirchner seine uneheliche Tochter Katharina zur Frau angedient hatte. Das Mägdelein war erst fünfzehn und – hätte man meinen können – für einen Mann im vierten Lebensjahrzehnt eine begehrenswerte Partie, zumal ein kurfürstlicher Schwiegervater in der Verwandtschaft in Zeiten wie diesen durchaus erstrebenswert schien. Allerdings entpuppte sich der fünfzehnjährige Bastard als rechtes Früchtchen, und dass die Jungfer mit einnehmendem Äußeren gesegnet gewesen wäre, konnte man auchnicht gerade behaupten. Sie hatte struppige rote Haare und ein vorstehendes Kinn, war lang und schmal wie ein Opferstock, und die Mainzer tuschelten, bei ihrer Zeugung müsse der Teufel seinen Schwanz im Spiel gehabt haben.
Leys, Katharinas Mutter, ja, die hätte Kirchner mit Handkuss genommen. Trotz ihres Alters war Elisabeth Schütz ein äußerst stattliches Weib; aber Leys, die Bettfrau des Kardinals, galt als unantastbar. Und das, obwohl Seine kurfürstliche Gnaden längst mit der Wittfrau Agnes Pless herummachte und es nur eine Frage der Zeit war, wann er Leys in ein Kloster stecken würde.
Bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber der herben Kardinalstochter spielte, wie so oft im Leben, das liebe Geld die wichtigste Rolle. Entgegen seinem früheren Versprechen, Katharina eine respektable Mitgift zukommen zu lassen, wollte der zahlungsunfähige Fürstbischof nun nichts mehr davon wissen. Im Gegenteil, er forderte von Kirchner eine nicht unerhebliche Ablöse, die, falls er sie nicht sofort begleichen könne, dergestalt abzurechnen sei, dass der Sekretär fünf, bestenfalls vier Jahre auf seinen Lohn verzichte.
Kirchner blieb dabei. Ausgestattet mit den niederen Weihen, könne er sich keinesfalls an eine Frau binden. Und dabei ließ er auch Albrechts Einwand nicht gelten, es seien andere Zeiten und sogar Bischöfe und Kardinäle huldigten dem weiblichen Geschlecht.
Vor hohen kirchlichen Feiertagen pflegte Albrecht von Brandenburg ein Bad zu nehmen, so auch an diesem Morgen. Mariä Himmelfahrt stand bevor, und die fürstbischöflichen Mägde hatten schon seit Mitternacht einen Kessel auf dem Feuer, um das Badewasser auf angenehme Temperatur zu bringen. Ein Holzzuber, ausgeschlagen mit weißem Leinen und so groß, dass darin auch zwei Badewillige Platz fanden, stand in den Kellergewölben für das Ereignis bereit.
Verzweifelt versuchten die Bademägde den üblen Geruch aus dem Gewölbe zu vertreiben, der sich dort, wie stets, wenn das Wetter umschlug, eingenistet hatte. Seine kurfürstliche Gnaden reagiertenämlich äußerst empfindlich auf das, was der Büttel gemeinhin als Gestank bezeichnete. Nicht dass Albrecht besonders empfindlich gewesen
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