Die Frau des Seiltaenzers
den schnellsten der Welt. Nur nützt das wenig, wenn Ihr Euren Bruder in Christo, am Ziel angelangt, einen halben Tag vor den Mainzischen Mauern warten lasst, bevor ihm ein halbwegs würdiger Empfang bereitet wird!« Die demütigende Behandlung bei seiner Ankunft wurmte den päpstlichen Gesandten noch immer.
»Ihr hättet eine Vorhut schicken sollen, die Euren unerwarteten Besuch ankündigt«, bemerkte der Fürstbischof, und das klang keineswegs wie eine Entschuldigung. »Ihr habt ja keine Ahnung, welche Aufgaben auf einen kirchlichen und weltlichen Herrscher tagtäglich zukommen. Ein Kurienkardinal lebt da in deutlich besseren Verhältnissen.«
»Schluss jetzt mit den gegenseitigen Vorwürfen!« Giustiniani klatschte mit der flachen Hand ins Badewasser, dass es über das Frühstück spritzte. »Ihr könnt Euch sicher vorstellen, warum ich Euch heute Morgen Gesellschaft leiste.«
Natürlich hatte Albrecht von Brandenburg eine Ahnung, doch die behielt er für sich und spielte lieber den Unwissenden: »Lasst mich raten, Bruder in Christo, Ihr habt eine kostbare Reliquie im Reisegepäck. Was ist es, und was wollt Ihr dafür haben?«
Die älteste der Badefrauen leerte einen Scheffel Seifenschaum in den Zuber, zum einen zur Reinigung der Kardinalsleiber, zum anderen, damit das aufschäumende Badewasser die gesegneten Geschlechtsteile der geistlichen Herren vor den Augen der jüngeren Bademägde verberge.
»Hört mir auf mit Reliquien!«, antwortete der päpstliche Gesandte verärgert. »In Rom interessiert sich kein Schwein mehr für Reliquien, seit bekannt wurde, dass allein ein Dutzend Präputien des lieben Jesuleins und drei Grabtücher unseres Herrn in Umlauf sind, von den zahllosen Lanzenspitzen, mit denen die Seite Jesu nach der Kreuzigung geöffnet wurde, ganz zu schweigen. Nein, damit ist heute kein Geld mehr zu machen.«
»Und Ablässe? Ich meine richtige, vollkommene Ablässe? Wie steht es damit?«, erkundigte sich der Fürstbischof interessiert.
»Genauso«, erwiderte der Legat. »Die Zeiten sind vorbei, in denen man mit handgeschriebenen Pergamenten und fünf Ave Maria ein Vermögen machen konnte. Und daran seid ihr Mainzer nicht unschuldig. Es war doch einer von euch, der die Druckkunst erfunden hat. Oder nicht?«
»Ich hoffe nur, dass Seine Heiligkeit Papst Clemens nicht uns für den Niedergang der Kurie verantwortlich macht.«
Da brauste Giustiniani auf und rief, dass das Gewölbe von seiner heiseren Stimme widerhallte und die Badefrauen hinter den Säulen des Gewölbes Schutz suchten: »Ich untersage Euch, über die finanziellen Verhältnisse im Vatikan solche Reden zu führen. Zugegeben, seit Julius der Zweite von dem Glauben beseelt war, er könne den Kirchenstaat mit dem Schwert wiederherstellen, und gegen Gott und die Welt zu Felde zog, seither sind die Kassen Seiner Heiligkeit leer, und es ist kein Geheimnis, dass seine Nachfolger dem Baumeister Michelangelo und den Erben Raffaels und Bramantes immer noch Geld schuldig sind. Und das ist auch der Grund, warum ich hier bin.«
Da brach Albrecht in lautes Gelächter aus, als wolle er damit sagen: »Und da kommt Ihr ausgerechnet zu mir?« Unmittelbar darauf tauchte der Fürstbischof, noch einmal nach Luft schnappend, im Badewasser unter; nur seine Kappe schwamm noch auf dem Wasser.
Giustiniani wusste nicht, was er von dem Schauspiel halten sollte, falls es sich überhaupt um ein solches handelte, und er begann mitden Händen unter Wasser nach Albrecht zu suchen – der Seifenschaum trübte die Sicht. Der päpstliche Gesandte bekam auch etwas zu fassen, wodurch sich der Fürstbischof schnaubend zum Auftauchen gezwungen sah. »Ich muss doch sehr bitten, Bruder in Christo!«, rief er entrüstet.
Giustiniani überging die peinliche Situation, indem er seinem Gegenüber unvermittelt die Frage stellte: »Könnte es sein, dass wir beide auf der Suche nach neuen Einnahmequellen hinter der selben Sache her sind?«
Albrecht erschrak. Er wusste sofort, worauf Giustiniani hinauswollte, doch fürs Erste gab er sich ahnungslos: »Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Bruder in Christo.«
»Dann muss ich deutlicher werden«, entgegnete der Legat. »Die Vermutung liegt nahe, dass es bei dem Seiltänzer, den Ihr dieser Tage zu Grabe getragen habt, nicht mit rechten Dingen zuging …«
»Ihr meint, dass der Große Rudolfo mit dem Teufel im Bunde stand?«
»Das könnte man in der Tat annehmen, gäbe nicht die Anwesenheit bedeutsamer Geistesgrößen bei seiner
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