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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wäre, aber üble Gerüche galten bei der hohen Geistlichkeit als Ausdünstungen des Teufels und hatten im fürstbischöflichen Palast nichts zu suchen. Auch nicht im Kellergewölbe.
    Seit dem Morgenläuten waren die Badefrauen deshalb bemüht, den Atem des Teufels mit Hilfe von Weihrauch und glimmenden Fichtenzweigen aus dem Gewölbe zu vertreiben, zumal sich hoher Besuch angekündigt hatte: der Legat Seiner Heiligkeit Papst Clemens VII., Kurienkardinal Giustiniani.
    Kurfürst Albrecht von Brandenburg zog es vor, den Abgesandten des Papstes im Bade zu empfangen, was keineswegs als Beleidigung anzusehen war, im Gegenteil. In höheren Kreisen wurde die Begegnung während der Reinigungsprozedur als Geste besonderer Vertrautheit betrachtet. So saß Albrecht, nackt bis auf eine dreifaltige Kappe, die sein schütteres Haupthaar verbarg, bereits in dem dampfenden, ovalen Zuber. Mit gerafften Röcken trugen kräftige Badefrauen – ein halbes Dutzend mochte es wohl sein – Holzscheffel mit heißem Wasser zum Aufguss herbei. Da trat Giustiniani in purpurnem Talar und Mozzetta, auf dem Kopf einen roten Kardinalshut mit breiter Krempe und Glöckchen zur Zierde, begleitet von seinem apostolischen Sekretär Johannes Patrici in das Gewölbe.
    Der Austausch üblicher Höflichkeiten erfolgte von beiden Seiten mit Honig im Mund und Galle im Herzen.
    »Es würde mir zur Ehre gereichen«, meinte Albrecht schließlich sogar, »mit unserem Bruder in Christo das Wasser zu teilen.«
    Überrascht von der unerwarteten Einladung, stutzte Giustiniani, warf Patrici einen fragenden Blick zu und traf, weil dieser ihn nur nichtssagend und mit weit geöffneten Augen anstarrte, eine folgenschwere Entscheidung, indem er antwortete: »Warum nicht, wenn Euch daran gelegen ist. Selbst unser Herr Jesus ließ sich, wie Matthäus im vierten Kapitel schreibt, mit dem Bösen ein, doch am Ende traten die Engel hinzu und dienten ihm.«
    Natürlich war dem nackt im Wasser planschenden Kurfürsten klar, dass der Gesandte aus Rom ihn provozieren wollte. Andererseits erwartete Giustiniani von seinem Gegenüber das Gleiche. Keinesfalls durfte er jetzt den Eindruck erwecken, ein bigotter provinzieller Spießer zu sein und händeringend aus dem Gewölbe flüchten. Auch war ihm kein Gesetz der Kirche geläufig, das einem Kardinal verbot, mit einem anderen Kardinal im selben Wasser zu baden – es sei denn in begehrlicher Absicht. Doch davon waren beide Kirchenfürsten meilenweit entfernt.
    Und so entledigte sich Giustiniani eilig seiner Mozzetta und des Talars. Darunter kamen ein frisches Hemd und eng anliegende Beinkleider zum Vorschein, die seine Spinnenbeine nicht gerade vorteilhaft zur Geltung brachten.
    Der ungewohnte Anblick eines Kurienkardinals in Unterhosen trieb den züchtigen Badefrauen den Schweiß auf die Stirn, und als Giustiniani selbst dieses delikate Kleidungsstück noch fallen ließ, schlugen sie die Hände vors Gesicht und flüchteten zusammen mit Patrici. Nur den Kardinalshut mit breiter Krempe und Glöckchen behielt der Legat des Papstes auf dem Kopf, als wäre es ein Schamtuch. So kletterte er über die Badeleiter zu Albrecht von Brandenburg in den ovalen Badezuber.
    Obwohl der hagere Kurienkardinal, was sein Körpervolumen betraf, eigentlich kaum Anlass dazu bot, schwappte das Badewasser über, und der Kurfürst rief nach den Badefrauen. Noch immer verwirrt von dem peinlichen Anblick, sammelten sie den Überschuss des Wassers mit Tüchern vom Boden auf. Dann legten sie ein Brett quer über den Badezuber – weniger, um das Einflussgebiet des einen Kardinals von dem des anderen abzugrenzen, als vielmehr dazu, eine Tischplatte zu schaffen für ein opulentes Frühstück aus Brotfladen, Eiern, Speck und kaltem aufgeschnittenen Braten sowie Birnenmost aus neuer Ernte.
    »Bruder in Christo«, begann Albrecht von Brandenburg kauend und schmatzend, »ich kann mir nicht vorstellen, dass die Beisetzungdes Seiltänzers der Grund gewesen ist, von Rom ins ferne Mainz zu reisen – ganz abgesehen davon, dass die Nachricht nach Rom und Eure Reise von dort hierher mehr Zeit in Anspruch genommen haben dürfte, als zwischen dem beklagenswerten Tod des Großen Rudolfo und seiner Beisetzung vergangen ist.«
    »Dass Ihr Euch da mal nicht täuscht«, entgegnete Giustiniani hinterhältig grinsend, während er wohlig die dürren Beine in Albrechts Zuberhälfte ausstreckte. »Die Pferde der vatikanischen Stallungen zählen, versehen mit dem Segen Seiner Heiligkeit, zu

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