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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Beerdigung Anlass zu der Vermutung, der Große Rudolfo habe Zugang zu den ›Büchern der Weisheit‹ gehabt, welche fundamentale Lehren der Kirche in Frage stellen.«
    Der Fürstbischof ruderte aufgebracht in seinem Badewasser. Um den Anschein zu erwecken, das alles gehe ihn nichts an, stellte er scherzhaft die Frage: »Ich hoffe sehr, Seine Heiligkeit Papst Clemens trägt sich nicht mit dem Gedanken, das Evangelium von einem Hochseil zu verkünden!«
    »Es stünde Euch gut an«, erwiderte Giustiniani verärgert, »die Sache mit mehr Ernst zu betrachten. Denn dem, der in den Besitz der Weisheitsbücher gelangt, winken nicht nur bedeutsame Erfindungen und Erkenntnisse, sondern auch Schätze von höchstem Wert. Aber wem sage ich das!«
    »Bruder in Christo«, ereiferte sich Albrecht von Brandenburg,»sagtet Ihr: Schätze? Woher wollt Ihr das wissen? Davon hatten wir keine Ahnung!«
    »Aber warum wart Ihr dann so fieberhaft damit beschäftigt, einen der Neun Unsichtbaren zu enttarnen?« Giustiniani grinste hinterhältig aus seinem Badewasser.
    »Zum Teufel«, ereiferte sich der Fürstbischof, »Ihr wisst mehr, als ich befürchtet habe.«
    Der Kardinal legte den Kopf zur Seite und hob die Schultern. »Das ist wohl nicht das erste Mal, dass Ihr Eure Fähigkeiten überschätzt habt, Bruder in Christo. Vergesst nicht, Seine Heiligkeit, der Papst hat ganz andere Möglichkeiten als ein Fürstbischof in der römisch-katholischen Provinz. Allein die vatikanische Bibliothek, die noch im Aufbau begriffen ist, verfügt über mehr Bücher als jede andere Bibliothek auf christlichem Boden. Leider blieben ihr bisher die ›Bücher der Weisheit‹ verwehrt. Aber die Steganographen, von denen mehr als ein Dutzend im Vatikan ihren Dienst tun, haben Hinweise gefunden, wo diese Bücher möglicherweise zu finden sind.«
    »Ihr wollt mich zum Narren halten!«
    »Keineswegs.«
    »Wenn Ihr so viel wisst, warum versucht Ihr dann mich auszuhorchen?«
    Giustiniani überlegte seine Antwort sehr genau. Schließlich erwiderte er: »Euer Wissen und unser Wissen zusammengelegt, könnte uns vielleicht einen großen Schritt weiterbringen.«
    Mit beiden Händen schaufelte sich Albrecht Wasser ins Gesicht, gerade so, als wollte er einen klaren Kopf bekommen. »Nehmen wir einmal an«, begann er nachdenklich, »wir fänden die ›Bücher der Weisheit‹. Wer hätte dann wohl den größten Nutzen? Doch wohl Seine Heiligkeit der Papst! Oder?«
    Giustiniani hob abwehrend die Hände aus dem Wasser. »Ich bin befugt, Euch folgendes Angebot zu unterbreiten: Im Falle des Auffindens der ›Bücher der Weisheit‹ soll Euch der Nutzen derwissenschaftlichen Erkenntnisse, die dort aufgeschrieben sind, zuteil sein. Seine Heiligkeit Papst Clemens besteht nur auf den Schätzen, die dort verzeichnet sind, allen voran dem Tempelschatz des Königs Salomo.«
    »… dem Tempelschatz des Königs Salomo«, wiederholte Albrecht gedankenverloren. Dann tauchte er im Badewasser unter, dass gerade noch die Nase zum Atmen frei blieb. In dieser Haltung dachte der Fürstbischof lange nach. Dabei sah er, einem Nilpferd gleich, den päpstlichen Legaten von unten prüfend an.
    Plötzlich, als folgte er einer göttlichen Eingebung, schoss er mit der ganzen Wucht seines feisten Oberkörpers aus dem Wasser und rief: »Und Ihr glaubt, ich würde nicht merken, dass Ihr mich übers Ohr hauen wollt? Ihr und Euer neunmalgescheiter Papst seid doch nur auf die Schätze aus, die Euch aller finanziellen Sorgen entbinden. Wer weiß, was mir bliebe? Vielleicht die Möglichkeit, auf einem Seil einen Domturm zu besteigen. Nein, Bruder in Christo, da müsst Ihr Euch schon einen Dümmeren suchen. Und jetzt ersuche ich Euch: ›Verlasst sofort das Badewasser!‹«
    Das ließ sich der Gesandte des Papstes nicht zweimal sagen. Er erhob sich und kletterte nörgelnd aus dem Zuber. Während er hastig in seine geistlichen Kleider schlüpfte, knurrte er, ohne Albrecht anzusehen: »Wir können nur hoffen, dass Euch Eure abweisende Haltung nicht eines Tages leidtun wird!« Dann rief er nach seinem Palastprälaten, der die Auseinandersetzung der beiden Kardinäle im Nebenraum verfolgt hatte.
    Während der Legat des Papstes seinen Widersacher keines Blickes würdigte und grußlos verschwand, wandte sich Patrici noch einmal um, verneigte sich andeutungsweise und hauchte ein kaum hörbares »Laudetur!«
    Kaum waren die beiden verschwunden, tauchte Joachim Kirchner im Gewölbe auf. Er wirkte noch blasser als sonst und

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