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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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seiner Schneiderin Gefallen fand, sondern auch an ihrem langen roten Haar und den üppigen Brüsten, welche jeder Amme zur Ehre gereicht hätten.
    Als sie eines Tages dem Bischof das bestellte Chorgewand brachte, fragte er sie unverblümt, ob sie ihm nicht gefällig sein wolle – geradeso drückte er sich aus –, ihr Schaden solle es keinesfalls sein. Jung und unerfahren wie sie war, fühlte sich meine Mutter geschmeichelt, und die Aussicht auf einen einträglichen Liebeslohn und die Tatsache, dass der Bischof von stattlicher Statur und vornehmem Aussehen war, zerstreuten jegliche Bedenken.
    Dir ist gewiss nicht unbekannt geblieben, dass unsere geistlichen Würdenträger sich, entgegen den Gesetzen der Kirche, allesamt Konkubinen halten. Viele pflegen sogar mehrere Verhältnisse und brüsten sich damit hinter vorgehaltener Hand. Demgegenüber zeigte sich der Bischof von Regensburg als Mann von Ehrbarkeit und Anstand. Jedenfalls behauptete meine Mutter, es habe keine Zweite gegeben, die ihr das bischöfliche Bett streitig machte …«
    Magdalena unterbrach Melchior aufgeregt: »Ich glaube zu wissen, was jetzt kommt!«
    »Ganz recht«, nahm Melchior seine Rede wieder auf. »Das Ergebnis dieser heimlichen Minne bin ich.«
    »Du bist der Sohn eines leibhaftigen Bischofs.«
    »Ich leugne es nicht.«
    »Aber …«
    »Kein aber! Dies ist nur die Vorgeschichte dessen, was ich eigentlich erzählen will.«
    »So rede doch weiter, Melchior! Der Bischof hat dich übel behandelt!«
    »Keineswegs«, entgegnete Melchior. »Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr kümmerte er sich treusorgend, wenn auch in aller Heimlichkeit um seine Konkubine und um mich. Er ließ mir bei den Benediktinern im nahen Kloster Metten eine strenge Erziehung angedeihen. Ich lernte lesen und schreiben und ein bisschen Latein und war wohl dazu ausersehen, ein Mönch nach der Ordo Sancti Benedicti zu werden. Da geschah das Unvorhersehbare.
    Johannes Weitprecht, der Privatsekretär Seiner Eminenz, hattesich seit Langem mit Diebereien in der bischöflichen Residenz hervorgetan. Goldene Kelche und kostbare Bücher, Gemälde und wertvolles Geschirr verschwanden auf rätselhafte Weise. Weitprecht stand schon immer im Verdacht. Aber niemand vermochte ihn seiner Taten zu überführen. Bis eines Tages ein fahrender Gemäldehändler dem Bischof ein Madonnenbildnis von Jan van Eyck zum Kauf anbot, das vor zwei oder drei Jahren aus der Residenz verschwunden war. Der Bilderhändler hatte vergessen, dass er das Gemälde am selben Ort gekauft hatte. Er identifizierte Weitprecht als den Verkäufer, dem er 50 Goldgulden bezahlt habe.
    Der Bischof jagte Johannes Weitprecht zum Teufel. Doch statt zum Teufel ging dieser zum Bischof von Würzburg. Der lag in ständiger Fehde mit seinem Amtsbruder in Regensburg. Gegen eine sichere Anstellung versprach er, die Eminenz vom Main mit brisanten Informationen über seinen Widersacher von der Donau zu versorgen. Für einen Judaslohn wurde Weitprecht zum Verräter und gab den Namen der Liebschaft des Regensburgers preis.
    Als die Nachricht in Regensburg ankam, verhielt sich der Bischof, den Vater zu nennen ich verabscheue, wie ein menschliches Schwein. Zu seiner Verteidigung verkündete er am Tage der Auferstehung des Herrn von der Kanzel, meine Mutter, die Weißnäherin, habe ihn auf hinterhältige Weise verhext. Sie habe ihn mit Magie zum Beischlaf gezwungen. Freiwillig, so beteuerte der niederträchtige Mann Gottes, hätte er sich nie und nimmer auf solcherart Fleischeslust eingelassen. Die Anwendung jedweder menschlicher Triebhaftigkeit sei nichts anderes als Teufelswerk.
    Zufällig fügte es sich – was mich betrifft, glaube ich übrigens nicht an Zufall –, dass zwei Dominikanermönche, Parteigänger der Inquisition, in Regensburg weilten. Von einem Tag auf den anderen wurde meine Mutter dingfest gemacht, der Hexerei angeklagt und zwischen Angelus- und Mittagsläuten zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.«
    Magdalena fuhr von ihrem Lager hoch. Wie von Sinnen starrtesie in die Dunkelheit der Kammer. »Mein Gott!«, stammelte sie ein ums andere Mal. »Mein Gott!« Mehr brachte sie nicht hervor.
    Für Melchior schien seine Erzählung wie eine Befreiung. Er war in seinem Redefluss nicht zu bremsen:
    »Ein Wanderprediger, der im Kloster um ein Nachtlager bat, brachte die Nachricht von dem furchtbaren Urteil nach Metten. Er kannte den Namen der als Hexe Verurteilten nicht. Aber ich wusste, dass es sich nur um meine Mutter handeln

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