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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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halbmondförmigen hochgelegenen Fenster fiel kaum Licht. Zudem neigte sich der Tag seinem Ende zu.
    In die unheimliche Stille drang das harte Geräusch der Domtüren, die ins Schloss fielen. Kurz darauf näherten sich auf den Treppenstufen zur Krypta Schritte. Auf dem Boden hockend, legten Magdalena und Wendelin ihre Köpfe auf die angezogenen Knie und umfassten die Unterschenkel mit den Armen, als wollten sie sich unsichtbar machen. Schnell kamen die Schritte näher, aber ebenso schnell entfernten sie sich wieder. Magdalena wagte kaum zu atmen. Schweinehirt rieb sich mit beiden Händen die Augen.
    Der Vorfall hatte die beiden so mitgenommen, dass keiner auch nur zu flüstern wagte. Ob ein oder zwei Stunden vergingen, in denen sie nur schweigend wie in Trance vor sich hin starrten, wussten sie nicht zu sagen.
    »Pst!« Wendelin legte den Zeigefinger auf die Lippen. Von oben aus dem Kirchenschiff drangen unerklärliche Laute zu ihnen nach unten: ein Stöhnen, dumpfe Schläge auf Stein.
    »Wir müssen hier raus!«, zischte Magdalena.
    »Pst!«, wiederholte Schweinehirt und versuchte Magdalena in seine Arme zu ziehen. Aber Magdalena stieß ihn zurück, als hätte er sich ihr unsittlich genähert. Dann war es wieder still.
    Inzwischen hatte die Dämmerung den Dom eingehüllt. In ihrem Versteck unter dem Kirchenschiff sah man kaum noch die Hand vor Augen. Aber Magdalena hatte vorgesorgt und die Funzel aus ihrer Kammer bei der Pfisterin mitgenommen. Um sie anzuzünden, mussten sie sich behutsam nach oben tasten, wo vor dem Marienaltar und dem Grab des Kaisers Heinrich bei Tag und Nacht unzählige Lichter flackerten.
    »Wie wollen wir vorgehen?«, fragte Magdalena, nachdem sie die Funzel entzündet hatte. »Es macht wenig Sinn, den Dom Elle für Elle abzuklopfen und nach einem Hohlraum zu suchen. Wir müssen ein System finden und dort beginnen, wo die Wahrscheinlichkeit, auf ein Versteck zu stoßen, am größten ist.«
    »Und wo, wenn ich fragen darf, ist die Wahrscheinlichkeit am größten?«, erkundigte sich Schweinehirt gereizt.
    Gut, dass die Funzel und die Lichter vor dem Grab Kaiser Heinrichs und seiner Frau Kunigunde nur wenig Helligkeit verbreiteten, sonst hätte Wendelin das zornige Funkeln in Magdalenas Augen gesehen. So schwiegen sie beide vor sich hin, während sie in der Düsternis bedächtig einen Fuß vor den anderen setzten und auf das Chorgestühl im Westchor zuschritten, wo die Domherren während der Messe ihre Plätze einnahmen.
    Gefragt, was sie gerade dorthin zog, hätte keiner von beiden eine Erklärung gewusst, und doch suchten sie zielstrebig gerade diesen Weg.
    Mit ausgestrecktem Arm hielt Magdalena die Laterne hoch. Plötzlich hielt sie inne.
    »Wendelin!«, flüsterte sie. »Wendelin, da!« Mit der anderen Hand deutete sie auf das Chorgestühl.
    Schweinehirt kniff die Augen zusammen, während sein Blick ihrem Hinweis folgte. In der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen.
    »Im Chorgestühl, rechts, in der vorderen Reihe! Siehst du nicht?«, herrschte sie Wendelin an.
    Schweinehirt zuckte zusammen: In der Tat, im Chorgestühl saß schlafend ein Mann in einem weiten dunklen Mantel, den Kopf auf die Brust gesenkt. Er schien sie nicht zu bemerken. Die Wächter mussten ihn, als sie die Türe verschlossen, wohl übersehen haben.
    Der unerwartete Anblick verängstigte die beiden, dennoch näherten sie sich dem Schlafenden gegen jede Vernunft. Im Näherkommen fiel seine zarte Statur auf, und als ihm Magdalena die Funzel vor das auffallend blasse Gesicht hielt, schreckte sie zurück: Der Mann schlief gar nicht. Mit offenen Augen starrte er vor sich auf den Boden.
    »He, Ihr da!« Schweinehirt legte dem Mann die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn.
    Langsam neigte sich der Unbekannte vornüber und sackte, die Arme nach unten ausgestreckt, zu Boden, wo er zusammengekrümmt, das Gesicht nach unten, liegen blieb.
    »Mein Gott!«, stammelte Magdalena. Mit starrem Blick beobachtete sie, wie Schweinehirt sich niederkniete und versuchte, den Mann auf den Rücken zu drehen.
    Das bereitete ihm einige Schwierigkeiten, weil der gekrümmte Körper mit angewinkelten Beinen steif und störrisch und wie gefroren wirkte. Schließlich gab er sich mit der Seitenlage zufrieden.
    »Er ist tot«, bemerkte Schweinehirt ohne ein Zeichen von Anteilnahme.
    Mit der flachen Hand wollte Magdalena den Puls an der Halsschlagader des Mannes prüfen, doch sie schreckte zurück, als sie den dunklen, blutunterlaufenen Ring um den Hals

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