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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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rammte ihm die Faust ins Gesicht, dass er strauchelte und zu Boden fiel.
    Aus der Nase des Marktschreiers floss ein schmales Rinnsal Blut, als dieser sich hochrappelte und dem Seiltänzer einen verächtlichen Blick zuwarf. Er wusste, dass er seinem Gegner körperlich überlegen war. Allerdings war er sich auch im Klaren, dass Rudolfo ihn auf die Straße setzen würde, falls er es wagte, die Hand gegen ihn zu erheben. Also zog er es vor, sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Gesicht zu wischen und ohne ein weiteres Wort zu verschwinden.
    Vom Flussufer wehte pestilenter Gestank herüber, der den Gauklern in der Schwüle des Tages den Atem raubte. Darüber hinaus machten ihnen Fliegenschwärme und allerlei Ungeziefer das Leben schwer.
    Der buckelige Quacksalber, der wie alle anderen den Streit der beiden Männer mit Bangen verfolgt hatte, meinte zögernd, um das peinliche Schweigen zu beenden, an Rudolfo gewandt: »Wie lange wollen wir hier noch kampieren? Mit Verlaub, die Umstände sind nicht gerade angenehm. Das Wasser, welches die Fuhrknechte vom Fluss heranschleppen, ist mit Blut gefärbt und taugt gerade mal für die Tiere zum Saufen. Seit Tagen führt der Main Niedrigwasser und schwemmt an seinen Biegungen Leichen an. Ein gefundenes Fressen für Ratten. Wir müssen uns auf die Suche nach einer Quelle machen, sollen nicht Pest und Cholera unsere ständigen Begleiter werden.«
    Unter den Gauklern machte sich Unruhe breit. Jadwiga, die polnische Schlangenfrau, die mit nacktem Oberkörper und nur mit einem Hüfttuch bekleidet der Hitze am ehesten trotzte, drehte sich zur Seite und übergab sich. Und Benjamino, der italienische Jongleur und Küchenmeister, lamentierte: »Bei der Madonna und den vierzehn Nothelfern, nicht nur das Wasser ist knapp, auch unsere Vorräte gehen zur Neige.«
    Trost kam nur von einem der derben Fuhrleute, der sich durch Schenkel wie Baumstämme und ein besonders loses Mundwerk auszeichnete. Allerdings schien er den Ernst der Lage nicht zu begreifen, denn er rief – und dabei klatschte er in die Hände: »Macht nichts, dann saufen wir eben die zwei Weinfässer auf dem Vorratswagen leer!«
    Plötzlich drängte sich Melchior, dessen Abwesenheit niemandem aufgefallen war, durch die Reihen: »Wo ist Magdalena?« Dabei musterte er Rudolfo mit festem Blick.
    »Das wollte ich dich fragen«, erwiderte der Seiltänzer.
    Der tat entrüstet: »Mich? Bin ich der Hüter Magdalenas?«
    »Das dachte ich eigentlich! Warst nicht du es, der in Begleitung Magdalenas zu uns kam?«
    Melchior grinste zynisch und bemerkte: »Aber seither ist viel geschehen. Ich dachte, Magdalena habe die Nacht bei dir verbracht. Ich habe sie seit vorgestern nicht mehr gesehen.«
    Rudolfo schien die Nachricht sichtlich zu beunruhigen, mehr als die übrigen Gaukler. »Hat sie denn niemandem anvertraut, was sie vorhat?« Der Seiltänzer blickte hilfesuchend in die Runde.
    »Ihr Lager ist seit zwei Tagen unbenutzt«, antwortete Melchior ohne jede Regung und fügte hinzu: »Aber Magdalena ist ja kein Kind mehr. Vielleicht ist sie des Gauklerlebens überdrüssig geworden.«
    Der Riese von Ravenna, gut einen Kopf größer als alle anderen, puffte Melchior in die Seite. Ihm gefiel die Kaltschnäuzigkeit, mit der Melchior dem Seiltänzer gegenübertrat.
    Rudolfo ließ sich nichts anmerken, obwohl ihm das Feixen nicht entgangen war. An die Wahrsagerin gewandt, meinte er: »Beeil dich, Xeranthe, befrage die Karten nach Magdalenas Verbleib!«
    Xeranthes Tagesablauf wurde von den Karten bestimmt, und deshalb trug sie stets ein Kartenspiel bei sich. Zunächst brummelte sie etwas vor sich hin, um ihren Unmut kundzutun; doch dann fingerte sie ihre Karten aus einer Rocktasche, mischte sie mit geschickter Schnelligkeit und trat hinter einen Strohballen. Darauf legte sie jeweils fünf Karten in einer Reihe, fünf Reihen untereinander. Die Gaukler senkten die Köpfe, nur die Zwergenkönigin reckte sich, um einen Blick auf die Karten zu erhaschen.
    »So rede schon, was siehst du?«, erkundigte sich Benjamino aufgeregt.
    Xeranthe verzog das Gesicht, rückte ihren Stirnreif zurecht und zischte etwas wie: »Schlecht gemischt.« Hastig schob sie die Karten zusammen. Nach einem längeren Mischvorgang legte sie die Blätter erneut und in derselben Reihenfolge wie zuvor. »Ich sehe den Todesengel. Er will nicht weichen.«
    »Du meinst …?« Rudolfo trat aufgeregt neben die Kartenlegerin hin und blickte abwechselnd auf die Karten und in ihr Gesicht. Im Nu

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