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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hing ein Schild an der Wand. Es zeigte ein nacktes Paar, trefflich gemalt. Darunter ein Vierzeiler, wie ihn nur der große Hans Sachs, Dichter und Schuhmacher aus Nürnberg, gereimt haben konnte:
    Hier stehen Zwey ganz nagt und bloß
    Ihr fehlt ein Hemmt, und ihm die Hos
    Da hülft nur ein Gebett zu Gohd
    Oder der Kleiderhändler Rosenroth
    »Womit kann ich dienen, allergnädigste Frau?«, erkundigte sich Burkhard Rosenroth mit übergroßer Höflichkeit, während die Gesellen gafften wie dereinst die Jünger des Herrn nach dessen Auferstehung.
    Allergnädigste Frau! Magdalena war geneigt, sich umzublicken, ob er wirklich sie meinte. Dann aber holte sie tief Luft, so tief, dass ihr Brustkorb die seitlichen Nähte ihres Kleides zu sprengen drohte, und mit gespielter Gelassenheit antwortete sie: »Gewiss habt Ihr ein neues Gewand für mich, nicht eines von der billigen Sorte!«
    Der Meister, klein und dicklich und mit einem Haarkranz auf dem rötlichen Schädel, nahm Maß, indem er die Kundin mit kritischem Blick von oben bis unten musterte. Magdalena fasste die Musterung falsch auf und glaubte, der Kleiderverkäufer wolle abschätzen, ob sie sich eines seiner Kleider leisten könne. Deshalb öffnete sie ihre Faust, in der sie den Golddukaten verborgen hielt, und versetzte die Münze auf dem Tisch zwischen den Schneidergesellen in eine Drehbewegung.
    Mit Neugierde verfolgten der Meister und seine Söhne den Tanz des Geldstücks, und als es endlich klimpernd zum Liegen kam, machten sie große Augen, und der dickliche Meister rief aufgeregt: »Allergnädigste Frau, dafür nähe ich Euch zehn Kleider von der teuersten Sorte!«
    »Meister, versteht mich recht«, entgegnete Magdalena, »ich habe nicht die Zeit zu warten, bis Ihr ein neues Kleid für mich genäht habt. Ich bin auf der Durchreise und benötige dringend ein neues Gewand.«
    Da verschwand der Alte wortlos in einem der hinteren Räume. Magdalena hatte kein gutes Gefühl, weil die Gesellen sie immernoch anstarrten wie eine überirdische Erscheinung. Nach bangen Minuten kehrte der Meister mit zwei Kleidern zurück und hängte sie an einem hölzernen Ständer auf.
    »Könntet Ihr an einem von beiden Gefallen finden?« Der Meister grinste verschmitzt. »Ihr solltet sie probieren, ich glaube, sie entsprechen genau Eurer Erscheinung. Das Eheweib des Bierbrauers Henlein gab sie in Auftrag. Doch die Ehe zerbrach, noch bevor ich meine Arbeit vollendet hatte, weil der Braumeister Henlein eine Magd schwängerte. Das traf Henleins Eheweib umso schwerer, weil Gott der Herr ihr jedweden Kindersegen verweigert hatte, und in ihrer seelischen Pein zog sie sich in ein Kloster zurück.«
    »Eine traurige Geschichte«, bemerkte Magdalena.
    »Ja«, erwiderte der Kleiderhändler, »ich hoffe nur, Ihr glaubt nicht, die Gewänder seien mit Unglück behaftet. Ich versichere Euch, Henleins Eheweib hat die Kleider kein einziges Mal getragen!«
    Mit einer Messschnur, die jeweils im Abstand einer Handspanne geknotet war, nahm der Meister Maß und kam zu dem Ergebnis: »Passt wie für Euch gemacht.«
    »Nennt mir Euren Preis!«, versuchte Magdalena das Verkaufsgespräch abzukürzen.
    »Eineinhalb Gulden für das eine Gewand«, erwiderte der Meister, »für das andere einen weiteren. Oder zwei Gulden für beide.«
    »Nicht gerade billig«, bemerkte Magdalena kurz angebunden. Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Kleid gekauft.
    Da entrüstete sich der Alte: »Allergnädigste Frau, bedenkt, die Gewänder sind aus erlesensten Stoffen gefertigt, die Röcke aus feinstem Leinen, das Oberteil des roten Kleides aus Seide, das blaue aus Taft, wie es einer Frau von Stande zukommt.«
    »Lasst’s gut sein, ich nehme beide«, antwortete Magdalena und hielt dem Meister den Golddukaten hin.
    Der schlug die Hände über dem Kopf zusammen und lamentierte, er sei ein bescheidener Kleiderhändler, habe ein Weib und drei halbwüchsige Söhne zu ernähren und sei weit davon entfernt,über so viel Geld zu verfügen, um auf einen Golddukaten herausgeben zu können. Sie möge doch den Geldwechsler in der Judengasse, zwei Straßen weiter, aufsuchen, sein Name sei Isaac Grünbaum. Und mit einem missbilligenden Blick auf ihre arg mitgenommene Haube, die sie aus gutem Grund nicht abnahm, meinte er: »Ich werde Euch noch eine neue Haube dreingeben, wenn Ihr zurück seid.«
    Der Geldwechsler Grünbaum, ein kauziger Kerl mit einem schwarzen Bart und zwei langen, gedrehten Locken an den Schläfen, nahm den Golddukaten in

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