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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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behauptet, dass ich weiß, wo sie sich aufhält«, erwiderte die Melters. »Aber ich weiß, dass Ludeke Tonsing, eine unserer damaligen Mitschwestern, im Dom an der Pulvermühle arbeitet. Ludeke hat hier über Wochen mit Amalia eine Kammer geteilt. Amalia und Ludeke haben zudem zur selben Zeit das Kloster verlassen. Womöglich kann sie euch mehr über Amalias Verbleib verraten.«
    »Ist das alles?«, fragte ich enttäuscht. »Nur ein Name?«
    »Mehr als ihr zuvor hattet.« Grete Melters verzog das Gesicht, drehte sich um und kehrte wieder in das Lazarett zurück. Ich trat mit Reynold vor die Tür, wo wir uns auf einer Mauer niederließen und die Fladenbrote verspeisten.
    In der Ferne vernahm ich einen Kanonenschuss. Das war nichts Ungewöhnliches. Die Täufer und auch die Bischöflichen feuerten an jedem Tag einige ihrer Geschütze ab, ohne damit viel Schaden anzurichten. Wahrscheinlich sollte das eher als eine Warnung verstanden werden, dass man noch immer wehrhaft und zu allem entschlossen war.
    »Diese Schlange«, knurrte Reynold. »Die Natter hat uns hereingelegt. Sie hat nur nach zwei Narren gesucht, die diese Gräber ausheben. Ich hätte ihr den Fladen ins Maul stopfen sollen, damit sie daran erstickt.«
    Ich teilte seine Verärgerung, doch während Reynold noch zeterte, wurde meine Aufmerksamkeit auf eine Herde von etwa dreißig Rindern gelenkt, die von einigen Männern über die Straße getrieben wurde. Als wir am heutigen Morgen aufgebrochen waren, hatte ich nördlich und westlich des Domplatzes größere Weideflächen innerhalb der Stadtmauern ausgemacht. Diese Rinder wurden jedoch aus dem südlichen Teil herangetrieben. Sie stapften über die Straße, die direkt zum Torhaus führte, was nur bedeutenkonnte, dass man sie auf den Weiden außerhalb der Stadt hatte grasen lassen.
    Dieser Vorgang war es wert, sich damit näher zu beschäftigen. Doch nicht zu dieser Stunde. Zunächst wollte ich Ludeke Tonsing finden und mit ihr über Amalia Clunsevoet sprechen.
    Wir begaben uns zum Dom. Das Hauptportal stand offen, und so traten wir ein. Das Innere des Doms war schwer von den Verwüstungen gezeichnet und bot ein Bild des Jammers. Der Bildersturm der Täufer hatte ein nacktes Gotteshaus hinterlassen. Die Fanatiker hatten den Altar herausgerissen und die große Orgel ebenso zerschlagen wie sämtliche Fresken und Heiligenbilder. Zudem waren die bunten Glasfenster zerstört worden, und nur einige Scherben, die traurig und schief an den Rändern der Rahmen hingen, zeugten von den kunstvollen Werken, die einst diesen Dom geschmückt hatten.
    Im Seitenschiff entdeckten wir einen weiteren Beweis dafür, dass die Täufer vollends mit den Regeln von Sitte und Moral gebrochen hatten. Die Sarkophage der Bischöfe und Domherren waren aus dem Boden gerissen worden. Ich erinnerte mich daran, dass einige dieser steinernen Särge vor den Stadttoren zur Verstärkung der Bollwerke eingesetzt wurden. Den eigentlichen Frevel hatten die Grabschänder aber dadurch begangen, die Gebeine der Toten nebenden Gräbern achtlos auf den Boden zu werfen. Ich zählte elf Schädel, wahrscheinlich befanden sich aber noch weitere unter dem Berg von Knochen und zerfetzten Totenhemden.
    Reynold schien unbeeindruckt. Er schob mit der Fußspitze einige Knochen beiseite und raunte mir zu: »Wenn die Täufer Besitzlosigkeit predigen, ist es doch möglich, dass sie einen Teil des Domschatzes achtlos fortgeworfen haben. Wir sollten die Augen nach goldenen Pokalen oder anderen Kleinodien offenhalten.«
    »Wir sind nicht auf der Suche nach Gold«, schalt ich ihn.
    Ich zog Reynold von der entweihten Grabstätte fort und machte mich auf die Suche nach Ludeke Tonsing. Zum Glück trafen wir bald auf einen Mann, der uns zu ihr führen konnte. Ludeke, ein zierliches Mädchen von vielleicht zwanzig Jahren, hockte in der Nähe einer großen Pulvermühle und war damit beschäftigt, Kränze aus Flachs und Werg zu flechten.
    Alles in allem arbeiteten wohl an die fünfzig Männer und Frauen im Dom daran, Kriegsmaterial für die Verteidigung der Stadt herzustellen. Es war nicht anzunehmen, dass der Bischof in absehbarer Zeit einen weiteren Sturmangriff auf Münsters Wälle befehlen würde, doch die Täufer schienen auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
    Wenngleich es mich erleichterte, Ludeke Tonsing hier im Dom anzutreffen, enttäuschte mich doch die Auskunft, die uns das schüchtern dreinblickende Mädchen mit flüsternder Stimme gab. Als ich sie nach Amalia

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