Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
fragte, verriet sie uns, dass sie tatsächlich drei Monate lang im Kloster eine Kammer mit ihr geteilt hatte. Und sie bestätigte, dass sie zusammen mit Amalia den Benediktinerinnen den Rücken gekehrt hatte. Danach allerdings hatten sich schon bald ihre Wege getrennt.
»Ihr ging es nur um die Freiheit«, sagte Ludeke und starrte auf den Kranz. Während des ganzen Gesprächs hatte sie nicht für einen Moment in ihrer Arbeit innegehalten. »Ich glaube nicht, dass Amalia aus dem Kloster geflohen ist, weil ihr die Worte der Propheten den Weg in die Gemeinde Christi aufgezeigt haben, sondern vor allem, weil sie das Klosterleben gehasst hat. Es würde mich wundern, wenn sie tatsächlich die Erwachsenentaufe empfangen hätte.« Sie hielt nun kurz inne und sagte dann: »Ich vermute, dass Amalia Münster den Rücken gekehrt hat. Sie wird die Stadt verlassen haben, solange das noch möglich war.«
Die Einschätzung des Mädchens betrübte mich. Ich hatte gehofft, von ihr einen entscheidenden Hinweis auf Amalias Verbleib zu erhalten; stattdessen musste ich der Möglichkeit ins Auge schauen, dasswir sämtliche Mühen und Gefahren völlig umsonst auf uns genommen hatten.
Ich dankte Ludeke und verließ mit Reynold den Dom. Draußen hatte sich inzwischen eine stattliche Menge vor dem Berg Zion versammelt und verfolgte gebannt die Predigt eines der Prädikanten. Anscheinend gab es hier an jedem Tag eine solche Zusammenkunft, denn das Bild ähnelte der gestrigen Szenerie. Der Prediger stand erhöht auf einem Podest, breitete die Arme aus und schickte seine mahnenden Worte mit lauter Stimme in die Zuhörerschaft.
»Das Schwert! Das Schwert wird dieses Reich reinigen. Es wird die Grenze ziehen zwischen der babylonischen Hure und den wahren Israeliten. Es werden die Tage der Rache und der Restitution anbrechen, in denen all die gestraft werden, die sich Christen nennen, die aber als Tyrannen und Sünder über andere Menschen herrschen. Christus wird sein Reich einnehmen, und er wird seine Feinde mit Feuer und Blut strafen.«
Vor uns warfen sich einige Frauen zu Boden, wälzten sich auf der Erde und hoben die Arme zum Himmel, während sie die Gnade des Herrn erflehten. Andere standen aufrecht, schlugen sich an die Brüste und lachten und weinten abwechselnd in schriller Ekstase. Ein solches Gebaren löste ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Während wir weitergingen,warf ich einen Blick auf den Prädikanten und fragte mich, ob es sich bei ihm um Bernhard Rothmann handeln mochte, den Mann, der es laut der Schilderung Anton Kribbes mit seinen Predigten erst möglich gemacht hatte, dass die Stadt in die Hände der Täufer gefallen war. Dieser Redner verstand es auf jeden Fall vortrefflich, drastische Bilder heraufzubeschwören, mit denen er die Menschen, die auf diesem Platz zusammengekommen waren, ohne Mühe manipulieren konnte.
»Das alles widert mich so an«, schimpfte Reynold, als wir uns außer Hörweite befanden. »Die Gräber, die verstümmelten Leichen und diese blutgierigen Beschwörungen. In dieser Stadt regiert der Tod, und nur ihm scheint man zu huldigen.«
Ich stimmte Reynold zu, doch meine Gedanken kreisten nicht um den Tod. Vielmehr plagte mich die Sorge, dass wir mit unserer Suche nach Amalia wieder ganz am Anfang standen.
KAPITEL 18
Betrübt und ausgelaugt kehrten Reynold und ich zurück in die Neubrückenstraße. Kurz nach uns trafen dort auch Jasmin und Cort ein, denen es zumindest gelungen war, Verpflegung aufzutreiben. Cort zog zweitote Hühner aus einem Leinenbeutel, und Jasmin faltete ein Tuch auseinander, in dem sich vier Eier befanden.
Die Aussicht auf eine schmackhafte Abendmahlzeit versöhnte mich ein wenig mit diesem enttäuschenden Tag, doch Anton Kribbe zeigte sich wenig begeistert, als er erfuhr, dass Jasmin und Cort die Hühner und die Eier aus dem Stall eines Hinterhofes entwendet hatten.
»Ihr habt die Tiere gestohlen. Das ist gefährlich«, sagte Kribbe. »Wäret ihr dabei gefasst worden, hätte das für euch womöglich die Todesstrafe bedeutet.«
»Der Hunger führt auch zum Tode, alter Mann«, meinte Jasmin. »Was sollen wir machen? Es gibt keinen öffentlichen Markt, auf dem wir unser Essen erwerben können. Sollen wir wie Kühe das Gras von den Weiden fressen?«
»Ihr bringt uns alle in Gefahr!« Kribbe verzog das Gesicht. »Wenn jemand den Raub beobachtet hätte und euch beiden gefolgt wäre, würden wir alle unter dem Schwert des Scharfrichters enden.«
»Immerhin würde ich mit
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