Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
herauszufinden«, sagte ich. Jasmin erwiderte nur ein Schulterzucken. Ich schwieg daraufhin, genoss die Wärme ihres Körpers und versuchte, in den Schlaf zu finden.
KAPITEL 22
Am Berg Zion auf dem Domplatz wurde in jeder Woche an mehreren Tagen das Recht gesprochen. Jan Bockelson trat dort als Richter auf und fällte seine Urteile über die Klagen, die sein Volk vorbrachte.
An diesem Tag würde Bockelson dem Gericht zum ersten Mal als König vorstehen, und der kurze Weg, den er von seinem Hof bis zum Domplatz zurücklegte, wurde von einem prächtigen Aufzug begleitet, der einen glauben machen konnte, hier reite tatsächlichein Mann durch die Straßen, der über die ganze Welt herrschte.
Die Parade wurde von Zinken-und Trompetenbläsern angeführt, die mit ihren Fanfaren das Ereignis lautstark ankündigten. Ihnen folgten vier Gardisten, deren Helme mit wallenden Federbüschen geschmückt waren, sowie mehrere herausgeputzte Würdenträger und der alte Hofmeister, der bei jedem Schritt mit einem langen weißen Stab auf den Boden pochte. Dahinter ritt der König auf seinem Paradepferd, geschmückt mit seiner goldenen Krone und goldenem Zepter, goldenen Ringen und goldenen Sporen. Weitere Würdenträger schlossen sich an, und wohl mehr als zwanzig Gefolgsmänner flankierten den Zug und hielten zu beiden Seiten die herandrängende Menge zurück.
Zusammen mit dem Gesinde des Hofstaats begab auch ich mich zum Domplatz. Dort war gegenüber der Stadtwaage auf einem mit purpurnen Teppichen geschmückten Podest ein mit Seide beschlagener Stuhl aufgestellt, auf dem der König nun wie auf einem Thron Platz nahm, um das Gericht abzuhalten.
Ich zwängte mich durch die dichte Masse an Leibern nach vorne, bis ich eine der ersten Reihen erreichte. Hier befand ich mich direkt vor der Plattform, auf der mehrere Prädikanten und WürdenträgerPlatz genommen hatten. Auch die Königsfrauen, die sich unter den Arkaden eines gegenüberliegenden Hauses versammelt hatten, konnte ich gut im Blick behalten. Unter Bockelsons sechzehn Ehefrauen stach ein Weib hervor, das ebenfalls auf einem mit edlen Stoffen überzogenen Stuhl thronte. Ich nahm an, dass es sich bei ihr um Divara handelte, die frühere Gefährtin des Jan Matthys, die von Bockelson zu seiner Königin erhoben worden war. Die übrigen Frauen hockten neben ihr auf seidenen Kissen und verfolgten das Gericht, das in diesem Moment eröffnet wurde.
Anscheinend traten hier zumeist streitende Eheleute vor den Richter. Zunächst klagte ein Ehemann seine Frau an, sich ihm gegenüber frech und widerspenstig verhalten zu haben. Ein anderer Kerl empörte sich darüber, dass sein Weib ihm hin und wieder den Vollzug der ehelichen Pflichten verweigert habe. Beide Frauen erhielten unter Androhung der Todesstrafe strenge Ermahnungen.
Schlechter erging es einer Frau, die das Gesetz der Vielehe gebrochen hatte, indem sie zwei Männer geheiratet hatte. Da dies ein Vorrecht der Männer war, verurteilte Bockelson sie zum Tode. Sofort darauf wurde sie auf das Podest des einäugigen Scharfrichters geführt und enthauptet.
Das Schicksal der Frau rührte mich. Ich fragtemich, ob Bockelson mit derart harter Hand vorging, weil er versuchte, die übrigen Frauen einzuschüchtern. Wenn ich mich umblickte, wurde mir wieder einmal bewusst, dass die Zahl der Weiber die der Männer mindestens um das Vierfache überstieg. Fürchtete der Täuferkönig womöglich einen Aufstand der Frauen? Hatte er sie deshalb in die Ehebündnisse gezwungen, in denen sie ihren Männern zu gehorchen hatten? Mir kamen die Münsteraner Frauen in den Sinn, die auf den Stadtmauern die bischöflichen Truppen in furioser Entschlossenheit zurückgeschlagen hatten und den Männern bei der Verteidigung ihrer Stadt in nichts nachgestanden hatten. Dies also war der Lohn für ihre Aufopferung.
Nach der Hinrichtung war der Gerichtstag beendet, und die Menge löste sich rasch auf. Auch ich kehrte zum Königshof zurück. In meinem Magen hatte sich ein flaues Gefühl ausgebreitet. Die Enthauptung dieser Frau hatte mir noch einmal mit Nachdruck vor Augen geführt, welchen Gefahren ich hier unter den Täufern ausgesetzt war. Ein falsches Wort konnte der Anlass dafür sein, dass meine Lügengeschichte in sich zusammenbrach und auch ich die Bekanntschaft mit dem Schwert des Henkers machen würde.
In der Küche des Königshofes fand ich dann aber keine Zeit mehr, mir weiter sorgenvoll den Kopf zuzerbrechen. Jan Bockelson hatte die Prädikanten und
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