Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
Zweifel. Seine Nase hat nach Corts Schlag noch immer die Farbe eines fauligen Apfels. Vor etwa einer Stunde betrat er die Küche und sprach kurz mit Peter Symesen. Ich habe mich rasch abgewandt, damit er mich nicht erkennt. Er ist bald darauf wieder gegangen, aber es ist gut möglich, dass er sich noch immer irgendwo hier aufhält.«
»Ich werde vorsichtig sein«, sagte ich. »Doch diese Gelegenheit muss ich nutzen. Wenn ich mit den Räumlichkeiten vertraut bin, wird es einfacher sein, Amalias Entführung zu planen.«
Jasmin schaute zum Küchenmeister. »Geh endlich. Sonst sorgst du bereits hier für Aufsehen.«
Ich ließ Jasmin also weiterarbeiten, sprach Peter Symesen an und erklärte ihm, dass Bernt von Zwolle mich geschickt hatte, um die Herzen der geschlachteten Rinder zum Königshof zu bringen. Symesen nickte nur und reichte mir eine Holzschüssel, in der die beiden noch dampfenden Rinderherzen lagen. Er deckte das Gefäß mit einem Tuch ab, dann schickte er mich auf den Weg.
Ich begab mich zum Hinterausgang, durchquerte einen Korridor sowie den Speisesaal und prägte mir die Aufteilung der Räume genau ein. Nach ein paarweiteren Schritten sah ich die Treppe, die laut Jasmins Beschreibung zu den Gemächern der Königsfrauen führte. Nach kurzem Zögern stieg ich die Stufen hinauf und erreichte einen Raum, in dem mehrere Kisten aufeinandergestapelt worden waren. Von hier gelangte ich auf den Gang mit den acht Türen, hinter denen sich wohl die Kammern von Amalia und den anderen Frauen befanden.
Als ich mein Ohr an eine der Türen legte, um zu lauschen, ob sich jemand in dem Raum aufhielt, vernahm ich Schritte und eine Stimme am anderen Ende des Korridors. Zwei Männer kamen von dort auf mich zu.
Ich zuckte zusammen, denn ich glaubte die Stimme zu erkennen. Nur kurz schaute ich in die Richtung der sich nähernden Männer, dann wandte ich mich rasch ab, denn ich hatte mich nicht getäuscht. Ausgerechnet der Prädikant Ollrich trat auf mich zu.
Jeden anderen hätte ich mit der Lüge abspeisen können, dass ich mich verlaufen hatte und den Ausgang suchte. Ollrich würde sich jedoch daran erinnern, dass ich vor einigen Tagen aus dem Torhaus geflohen war, und dann würde er mich gefangen setzen lassen. Mir blieb keine Wahl. Ich öffnete die Tür, vor der ich stand, und huschte eilig in die Kammer. Mit wild pochendem Herzen presste ich meinen Rücken gegen die Wand und bewegte mich dabei so ungeschickt,dass das Tuch von der Holzschüssel rutschte. Beinahe wären auch die Rinderherzen auf den Boden gefallen, doch dieses Missgeschick konnte ich gerade noch verhindern.
Nun erst bemerkte ich, dass ich nicht allein in der Kammer war.
Vor einer Anrichte stand Amalia und schaute mich mit großen Augen an. Das heißt, eigentlich fiel ihr Blick zunächst nur auf die dampfenden Innereien. Ihr Hemd war geöffnet und der Oberkörper so weit entblößt, dass ich ihre Brüste sehen konnte. In der Hand hielt sie ein Tuch, das sie in eine Schüssel mit Wasser getaucht hatte.
Einen Moment lang standen wir beide uns wortund reglos gegenüber. Amalia starrte mich noch immer mit großen Augen an, und erst jetzt löste sie sich aus der Überraschung und zog das Hemd über ihre Brüste.
»Was … was ist das?«, brachte sie nach einem Räuspern hervor.
Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass sie die Herzen meinte. Dann aber krächzte ich: »Das Mittagsmahl des Königs.«
Wieder breitete sich zwischen uns ein unangenehmes Schweigen aus. Amalia trat einen Schritt zurück. In ihrem Gesicht spiegelte sich eine seltsame Mischung aus Furcht und Faszination.
»Ich werde gehen«, sagte ich. Ohne ein weiteres Wort öffnete ich rasch die Tür, lief auf den Korridor und eilte die Treppe hinab. Glücklicherweise begegnete ich dort nicht noch einmal dem Prädikanten Ollrich.
Als ich durch die Hintertür nach draußen lief, fiel mir auf, dass ich vergessen hatte, das Tuch aufzuheben. Ich schaute auf die Rinderherzen, und mir wurde ganz flau im Magen. Mein Vorhaben, dezent im Hintergrund zu bleiben und in Amalias Nähe jede unnötige Aufmerksamkeit zu vermeiden, war mir gründlich misslungen.
Meine Hände zitterten so stark, dass ich die Schüssel um ein Haar fallen ließ. Ich atmete tief ein und aus und versuchte mich zu beruhigen, doch das war kaum möglich, denn nach dieser ungestümen Begegnung mit Amalia fürchtete ich um mein Leben.
KAPITEL 23
In der Nacht fand ich nicht in den Schlaf. Die ungehörige Begegnung mit
Weitere Kostenlose Bücher