Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
benutzte, wenn es galt, der Täufergemeinde weitere Opfer abzuverlangen.
Abgesehen von Divara wurden die anderen Königsfrauen bald darauf zurück in ihre Gemächer geschickt. Ich schaute Amalia kurz nach, als sie den Saal verließ, dann stieß mich der Küchenmeister an und machte mich darauf aufmerksam, dass mein Dienst an diesem Tag noch nicht beendet war. Während einer der Prädikanten mit kräftiger Stimme einen Text aus der Heiligen Schrift las, stellte ich Bierkrüge auf der Tafel ab und brachte die leeren Platten zurück in die Küche.
Hier vernahm ich, wie Bernt von Zwolle einen Küchenjungen anwies, zum Hof der Königsfrauen zu laufen, um von dort zwei Rinderherzen abzuholen,die für die morgige Mittagsmahlzeit des Königs vorgesehen waren.
Als der Junge an mir vorbeilaufen wollte, hielt ich ihn am Arm fest und fragte den Küchenmeister: »Erlaubt Ihr mir, diesen Auftrag auszuführen?«
Von Zwolle runzelte die Stirn. »Du? Warum?«
»Es käme mir gelegen. Ich möchte kurz mit meiner Ehefrau sprechen.«
Von Zwolle rümpfte die Nase, schickte mich aber mit einem Handwedeln auf den Weg und ermahnte mich: »Halte dich dort nicht zu lange auf. Ich brauche dich hier noch.«
Ein wenig würde er wohl auf mich warten müssen, dachte ich bei mir, als ich auf den Hinterhof trat. Diese Gelegenheit, Amalias Unterkunft endlich mit eigenen Augen zu erkunden, war zu verlockend, als dass ich sie ungenutzt lassen durfte. Wenn Jasmin nicht in der Lage war, die nötigen Informationen über Amalia zu beschaffen, musste ich mir selbst ein Bild von den Räumlichkeiten am Hof der Königsfrauen machen. Ich trat durch die Pforte auf den Hofplatz der ehemaligen Propstei, der von einem halbhohen Zaun umgeben war. Hier nahm ich das Anwesen genauer in Augenschein. In Richtung des Domes gelegen gab es ein breites Tor, das – zumindest im Moment – nicht bewacht wurde. Auch der Vordereingang des Gebäudes blieb weitgehend ungeschützt,wenn man von zwei Hellebardieren absah, die einige Schritte abseits an einem Baum lehnten und miteinander angeregt schwatzten. Alles in allem machte mir das Mut. Ich hatte erwartet, dass der Hof der Königsfrauen gewissenhafter geschützt würde. Doch anscheinend glaubte niemand, dass sich die Eheweiber des Bockelson in Gefahr befanden.
In einem Nebengebäude zerlegten mehrere Männer zwei vor kurzem geschlachtete Rinder in ihre Einzelteile. Ich trat auf einen von ihnen zu, erklärte, wer mich geschickt hatte, und fragte nach den Herzen. Der Mann wies mich an, die Küche aufzusuchen, da sämtliche Innereien kurz zuvor dort hingeschafft worden waren.
Durch eine Seitentür gelangte ich in das Gebäude und betrat die Küche, in der ein Dutzend Frauen ihre Dienste verrichtete, darunter auch Jasmin, die damit beschäftigt war, mit einer Bürste den Schmutz aus einem großen Topf zu scheuern. Sie schaute mich fragend an, also ging ich zu ihr und erklärte: »Ich soll zwei Rinderherzen abholen. Wo finde ich den Küchenmeister Symesen?«
»Dort.« Sie deutete auf einen blonden Mann, der mit einer der Mägde redete.
Ich beugte mich näher zu ihr und fragte im Flüsterton: »Wo befinden sich die Gemächer der Königsfrauen?«
»Was hast du vor?«, raunte sie.
»Ich denke, ich werde auf dem Weg zurück kurz die Orientierung verlieren und mich verlaufen.«
»Damit würdest du unnötige Aufmerksamkeit auf dich ziehen.«
»Unsinn«, erwiderte ich. »Ich werde so unauffällig bleiben wie ein lauer Windhauch. Also, wo finde ich Amalias Kammer?«
»Was willst du dort? In ihre Kleidertruhe schauen?«
»Um Gottes willen«, zischte ich. »Natürlich werde ich keinen Fuß in Amalias Zimmer setzen. Womöglich hält sie sich dort gerade auf. Wenn Amalia mich bemerken würde, könnte das ihren Argwohn hervorrufen. Darum bleibe ich unerkannt und dezent im Hintergrund. Aber ich möchte wissen, wo Amalia die meiste Zeit des Tages verbringt.«
Jasmin ließ die Bürste in einen Wassereimer fallen und sagte: »Du musst die Treppe neben dem Hintereingang hinaufsteigen. Im ersten Stock führt ein Korridor an acht Türen vorbei. Das sind die Gemächer der Königsfrauen. Amalia teilt sich ihre Kammer mit einer Frau namens Katharina Averwegs.«
»Die ebenfalls mit dem König verheiratet ist?«
Jasmin nickte. »Ich halte das trotzdem für keine gute Idee.«
»Warum?«
»Weil sich dieser Prädikant, den wir im Torhaus überwältigt haben, am Hof befindet.«
»Ollrich? Bist du dir dessen gewiss?«
»Ich habe keinen
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