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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Amalia in deren Kammer machte mich unruhig und ließ mich furchtsam abwarten, ob man mich für dieses Missgeschick zur Rechenschaft ziehen würde.
    Jasmin verschwieg ich den Vorfall. Als wir am Abendin der Gesindekammer zusammengetroffen waren, hatte ich mich recht wortkarg verhalten. Sie hatte aber wohl meine Anspannung bemerkt, da ich bei jedem Geräusch und jeder lauten Stimme aufgeschreckt war, weil ich befürchtete, dass im nächsten Moment eine Schar Bewaffneter in die Gesindekammer stürzen und mich auf Anweisung des Königs gefangen nehmen würde.
    Während Jasmin schon neben mir eingeschlafen war und ich noch immer wach lag, sah ich in Gedanken nur ein Bild vor mir: die halbnackte Amalia, die vor mir stand und auf die dampfenden Rinderherzen starrte, die ich in meinen Händen hielt.
    In eine seltsamere Situation hätte ich wohl nicht geraten können. Wahrscheinlich hatte das Mädchen befürchtet, ich würde mich auf sie stürzen, ihr das Hemd vom Leib reißen und mich an ihr vergehen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr kam es mir wie ein Wunder vor, dass ich noch immer unbehelligt auf diesem Lager ruhen konnte.
    Hatte sie mich womöglich gar nicht erkannt? Das konnte ich nicht glauben. Nur wenige Stunden zuvor hatten sich unsere Blicke im Speisesaal des Königs gekreuzt. Wenn Amalia mich ans Messer liefern wollte, würde sie den Wachen mitgeteilt haben, dass ich hier in der Gesindekammer zu finden war.
    Alles blieb jedoch ruhig. In den frühen Morgenstundendöste ich sogar kurz ein, wurde jedoch bald darauf von einem lauten Rufen gestört. Der Lärm stammte zu meiner Erleichterung aber lediglich von Bernt von Zwolle, der zu früher Stunde das Gesinde weckte, weil ein Waschtag anstand, der eine Menge Arbeit mit sich brachte.
    Ich erhielt den Auftrag, einen großen Zuber mit Wasser zu füllen. Mit einem Eimer ging ich auf den Hof zum Brunnen, drehte an der quietschenden Kurbel, holte den Ledersack hinauf und füllte damit meinen Eimer. Inzwischen war auch die Sonne über den Horizont gestiegen. Durch das Tor zum Hof der Königsfrauen konnte ich erkennen, dass dort auf dem Vorplatz mehrere Frauen spazieren gingen und munter miteinander sprachen. Ich nahm an, dass es sich um Ehefrauen des Königs handelte. Ob sich Amalia unter ihnen aufhielt, fand ich nicht mehr heraus, denn ich wandte mich rasch ab, aus Sorge, Amalia wäre tatsächlich dort und würde auf mich aufmerksam werden.
    Dreimal musste ich den Ledersack hinaufbefördern, um den Eimer zu füllen. Ich trug ihn ins Haus und leerte ihn in dem Zuber aus, unter dem bereits ein Feuer entzündet worden war. Das Wasser bedeckte gerade einmal den Boden, und es würde gewiss eine ganze Stunde dauern, bis ich genügend Wasser für die Wäsche herangeschafft hatte.
    Als ich nach draußen trat, waren die Königsfrauen nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatten sie sich in ihre Gemächer zurückgezogen.
    Erleichtert ließ ich den Ledersack in den Brunnen fallen, pfiff leise eine Melodie und ahnte nichts Böses, als ich neben mir eine Bewegung bemerkte. Ich schaute zur Seite und erschrak, denn dort stand Amalia mit verschränkten Armen und musterte mich mit strengem Blick.
    »Diesmal war es an mir, dir einen Schreck einzujagen«, sagte sie.
    Das hatte sie tatsächlich, und deshalb stand ich verlegen und stumm wie ein Kind nach einem missglückten Streich vor ihr.
    »Wie ist dein Name?«, wollte sie wissen.
    »Emanuel«, antwortete ich ihr. Warum hätte ich lügen sollen? Das wäre sinnlos gewesen.
    Sie wartete einen Moment, doch ihre Augen fixierten mich weiterhin. »Du wirst für deine Anmaßung Rechenschaft ablegen, Emanuel.«
    Ich schluckte hart und nickte.
    »Kehre nach Sonnenuntergang hier zum Brunnen zurück, aber sprich mit niemandem darüber«, sagte sie. »Dann sehen wir weiter.«
    Ohne meine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging davon. Ich blieb wie erstarrt, schaute ihr nach und wog ab, ob es das Beste wäre, so schnellwie möglich davonzulaufen und unseren Auftrag für gescheitert zu erklären.
    Um ehrlich zu sein: Meine erste Idee nach dieser unerwarteten Begegnung war es tatsächlich, Jasmin aufzusuchen und mit ihr unverzüglich dem Königshof den Rücken zu kehren, um einer möglichen Verhaftung zu entgehen.
    Es gab jedoch zwei Gründe, warum ich mich gegen eine Flucht entschied. Zum einen hätten wir damit jede Hoffnung aufgeben müssen, Amalia in unsere Gewalt zu bringen. Man kannte unsere Gesichter, und wir hätten fortan einen

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