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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Sünde mit dem Schwert aus unserer Mitte tilgen. Tod und Feuer werden schon bald um uns herum wüten. Wir werden aus dem Feuer die Schreie und das Wehklagen vernehmen, und an diesem Tag sinken wir auf die Knie und dankendem Herrn für die Güte der Vergebung. Doch diese Vergebung wird nur den wahren Israeliten hier im Neuen Jerusalem zuteilwerden.«
    Er legte eine Pause ein und ließ seinen Blick über die Menge schweifen, die sich von seinen Worten gefangen nehmen ließ. Mehrere Rufe waren zu hören, die Gott priesen und die Vernichtung aller forderten, die in Sünde lebten und die wahre Lehre Christi ablehnten.
    Bockelsons Gesicht nahm nun einen wütenden Ausdruck an. Er richtete eine Hand auf uns und rief in deutlicher Verärgerung aus: »Aber diese Häretiker schlichen sich in unsere Stadt und planten das teuflischste aller Verbrechen. Sie wollten eine reine und unschuldige Seele unserer Gemeinschaft und damit der Obhut des Herrn entreißen, auf dass sie am Tag des Großen Gerichtes im Weltenbrand vernichtet werden würde. Kann es eine größere Niedertracht geben als die, die aus einer solchen Tat spricht?«
    »Pfui!«, ereiferte sich eine Frauenstimme. »Unter das Schwert mit ihnen!«
    Ich richtete meinen Blick auf die Menge. In einer der vorderen Reihen erkannte ich Bernt von Zwolle, in dessen Gesicht sich Verachtung und Kummer widerspiegelten. Ob er es insgeheim bedauerte, dass er mich an den König und die Prädikanten ausgeliefert hatte? Wahrscheinlich würde er sich das niemals eingestehen,denn er war und blieb ein Heuchler, so wie die meisten Menschen, die sich der Täuferlehre verschrieben hatten.
    Ich schaute in die aufgebrachten und empörten Gesichter und konnte nicht anders, als diese Gemeinschaft zu bedauern, die sich in ein untragbares Korsett der Moral schnüren ließ.
    Bernt von Zwolle und seine heimliche Begierde nach Männern; Amalia, die ihre fleischliche Lust durch dominante und devote Spiele stimulierte; Goswin, der seine Ehefrauen missachtet und stattdessen womöglich Befriedigung bei seiner Ziege gesucht hatte; und nicht zuletzt der König der Täufer selbst, der den Propheten Dusentschur beeinflusst hatte, um seinen Willen durchzusetzen – sie alle waren wie wohl die meisten der hier Versammelten nur das Spottbild einer perfekten Gesellschaft.
    »Hört mein Urteil«, verkündete Jan Bockelson und richtete seinen Blick auf uns drei. »Ich erkläre euch für schuldig der Verstöße gegen die gottgegebenen Gebote und des Verbrechens gegen diese Gemeinschaft. Dafür sollt ihr mit dem Tod durch das Schwert abgestraft werden.«
    Auf ein Zeichen von Bockelson hin wurden wir auf das Podest des Scharfrichters geführt. Nilan erwartete uns mit ernster Miene und ließ uns nebeneinander Aufstellung nehmen. Wie es schien, sollte ich derErste sein, den man zu dem abgenutzten Holzklotz führen würde, auf dem schon einige Münsteraner vor mir ihren letzten Atemzug getan hatten.
    Dass ich zuerst mein Leben verlieren sollte, erschreckte mich nicht. Vielmehr war ich erleichtert, dass keine glühenden Zangen oder andere Folterinstrumente auf das Podest getragen wurden. Wahrscheinlich hatte man es eilig und wollte sich nicht mit langwierigen schmerzhaften Peinigungen aufhalten.
    Jasmin und ich standen so dicht nebeneinander, dass sich unsere Schultern berührten. Während Nilan der jubelnden Menge sein Schwert präsentierte, schaute ich Jasmin an. Ihr Gesicht wirkte blass, aber im Grunde trat sie ebenso wie Anton Kribbe und auch ich recht gefasst diesen letzten Gang an.
    Nun drehte sie sich zu mir, und unsere Blicke trafen sich. Erkannte ich in ihren Augen die Traurigkeit, die ich in mir spürte? Den Kummer darüber, dass dies die letzten Augenblicke waren, die wir miteinander teilen konnten? Bedauerte auch sie nun, dass wir zu viel Zeit mit sinnlosen Streitereien vergeudet hatten?
    »Küss mich«, sagte ich leise zu ihr und bewegte meine Lippen auf ihren Mund zu, woraufhin sie zurückzuckte und den Kopf schüttelte.
    Enttäuscht senkte ich den Blick und wurde schon im nächsten Moment von Nilans fleischigen Händengepackt, zum Holzblock geführt und auf die Knie gedrängt. Er zog mein Hemd bis über die Schultern, damit mein Nacken frei lag und drückte meinen Kopf nach unten, so dass meine rechte Wange auf dem Holz auflag.
    Ich schloss die Augen. Die Klinge des Scharfrichters berührte meinen Hals. Nilan nahm Maß. In diesem Moment vernahm ich hinter mir ein Keuchen und Jasmins flehende

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