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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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wie alle anderen verfolgen konnte. Die Möglichkeit, dass der Erlöser tatsächlich jeden Moment vom Himmel herabsteigen konnte, schien so etwas wie Barmherzigkeit in dem Einäugigen zu wecken.
    Ich schaute zu Reynold, der noch immer mit ausgestreckten Armen auf das Zeichen wartete, und dann zu Jasmin, die ratlos mit den Schultern zuckte. Innerhalb der Menge war ein gespanntes Brodeln auszumachen. Dies war ein entscheidender Moment. Wenn das himmlische Signal ausblieb, würde Reynold seine Zuhörerschaft nicht länger überzeugen können. Dann würde man ihn ebenfalls festnehmen und zusammen mit uns einen Kopf kürzer machen.
    »Ein Zeichen!«, rief Reynold abermals aus. Es klang fordernd, fast flehend. »Ich brauche es!«, fügte er ungeduldig an.
    Die Täufergemeinde machte ihrer Enttäuschung durch erste Beschimpfungen Luft. Vor dem Podest reckte der Prädikant Ollrich eine Faust in Reynolds Richtung und spuckte auf den Boden. Jan Bockelson hingegen wartete ab, wie die Menge reagierte.
    Das Gezeter der Umstehenden wurde lauter. Reynold wirkte inzwischen recht angespannt, doch plötzlich wurde der Prinzipalmarkt von einem ohrenbetäubenden Knall erschüttert. Eine regelrechteExplosion ließ die überraschte Menge einen Schrei aus tausend Kehlen ausstoßen.
    »Da habt ihr euer Zeichen!«, verkündete Reynold mit sichtbarer Erleichterung. »Unser Herr Jesus Christus schickt den Donner, weil er euch aufgrund eures Zögerns zürnt. Aber ich verspreche euch, er wird uns allen vergeben, wenn wir befolgen, was er mir und auch euch aufgetragen hat.«
    »Was verlangt der Erlöser von uns?«, rief jemand.
    Reynold deutete in die südliche Richtung. »Es ist sein Wille, dass wir alle uns vor dem Ludgeritor versammeln sollen. Dort wird er unter uns treten und uns durch die Pforte in die Freiheit führen. Doch jeder, der zurückbleibt, sei gewarnt, denn er wird in den Flammen vergehen. Noch vor Sonnenuntergang wird das Weltgericht auch über diese Stadt hereinbrechen.«
    In den Gesichtern der Umstehenden war Furcht, aber auch Hoffnung zu erkennen. Mehrere Männer und Frauen warfen sich mit ekstatisch zuckenden Gliedern zu Boden. Einige machten sich bereits auf den Weg zum Ludgeritor, andere wiederum riefen Reynold weitere Fragen zu.
    »Wird der Erlöser dort auf uns warten?«
    »Führt uns der Messias ins Paradies?«
    »Wird er die Bischöflichen zerschmettern?«
    Reynold hob beschwichtigend die Hände. »Alleeure Fragen werden eine Antwort finden. Aber nun lauft!«
    »Führe uns!«, erklang eine Forderung. Mehrere Männer eilten in das Rathaus und tauchten kurz darauf am Fenster hinter Reynold auf. Sie zogen ihn mit sich, und als Reynold von seinen Gefolgsleuten aus dem Rathaus begleitet wurde, wirkte er nicht gerade erfreut darüber, dass er in der allgemeinen Euphorie von der Menge gedrängt wurde, zum Ludgeritor voranzuschreiten. Ich vermutete, dass er geplant hatte, die Täufer fortzuschicken und sich selbst heimlich in Sicherheit zu bringen. Nun wurde er inmitten der Männer und Frauen die Straße hinabgeschoben und würde gewiss in Schwierigkeiten geraten, wenn die Menge begriff, dass sich der so sehnlich erwartete Heiland auch an diesem Tag nicht zeigen würde.
    Auch Nilan und die Männer, die uns zum Richtplatz geführt hatten, ließen sich von Reynolds Charade täuschen und folgten den anderen zum Ludgeritor. Der Prädikant Ollrich versuchte zwar, den Scharfrichter aufzuhalten, doch der Zyklop schüttelte den schmächtigen Mann ohne Mühe von sich ab und ging davon.
    Unter den Arkaden des gegenüberliegenden Gebäudes hatten sich die Königsfrauen von ihren Kissen erhoben. Einige verfolgten mit bangen Blickendie Euphorie der Gemeinde. Mehrere von ihnen schlossen sich der Menge an und reihten sich zwischen den Leuten ein, die singend und betend zum Stadttor strömten. Ich sah, dass Amalia weiterhin verharrte und unschlüssig das Treiben verfolgte.
    Jan Bockelson war an den Rand seines Podestes getreten und breitete die Arme aus. Das überraschende Auftauchen dieses neuen Propheten schien ihn verwirrt zu haben. Der König richtete einige Worte an die dahinströmende Masse, die in dem allgemeinen Geschnatter aber nur die vorderen Reihen erreichten, wo sie nichts ausrichteten. Dann stieg der König von seinem Podest und trat zu seinen Prädikanten – wohl um sich mit ihnen zu beraten. Jasmin, Kribbe und mich beachtete in diesem Tumult offenbar niemand mehr.
    Einer aber hatte uns nicht vergessen. Hermann Ollrich starrte

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