Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
wutentbrannt auf unser Podest, hob Nilans Schwert auf, das dieser achtlos hatte fallen lassen, und kam damit auf mich zu.
»Ich lasse mich nicht von euch blenden«, krächzte der Prädikant. »Das Urteil über dich ist gesprochen worden, und ich bin bereit, es zu vollstrecken.« Er zwang mich mit einem Fußtritt zu Boden. Mit Mühe hob er das Breitschwert an. Wahrscheinlich fehlte ihm die Kraft, mir mit dieser Waffe den Kopf von den Schultern zu schlagen, aber er schien wild entschlossen.
Ich versuchte ihm auszuweichen, doch Ollrich stand bereits breitbeinig über mir und zielte mit der Schwertspitze auf meinen Oberkörper. Plötzlich tauchte eine Gestalt hinter ihm auf, packte seine Hände und entwand ihm die Waffe. Ich blinzelte und erkannte Cort, der Ollrich nun zu sich herumdrehte und ihm wieder einmal einen kräftigen Faustschlag auf die ohnehin malträtierte Nase verpasste. Der Prädikant jaulte auf, taumelte zurück und fiel mit einem Schrei vom Rand des Podestes.
Rasch eilte Cort zu mir, durchtrennte mit einem Messer die Lederschnüre und befreite auch Jasmin und Kribbe von ihren Fesseln.
»Ein falscher Prophet und eine Rettung im letzten Augenblick«, keuchte ich. »Solch eine Unternehmung hätte auch aus meiner Feder stammen können.«
»Unsere Komödie zeigt mehr Erfolg, als ich es erwartet hatte«, erwiderte Cort. »Ich hoffe nur, dass es Reynold gelingt, seinen Bewunderern zu entkommen und an den vereinbarten Treffpunkt zu gelangen. Helfen kann ich ihm nicht dabei.«
»Und wir?«, wollte Jasmin wissen. »Wie sieht dein weiterer Plan aus?«
Cort wies auf die Menge um uns herum. »Die Täufer ziehen zum südlichen Stadttor. Ihr lauft in die entgegengesetzte Richtung, bis ihr das Jüdefeldertor erreicht. Wartet dort auf mich.«
»Was hast du vor?«
»Ich werde euch folgen. Aber zuvor muss ich hier noch eine Gelegenheit nutzen.« Mit diesen Worten sprang Cort vom Podest und tauchte in der Masse unter.
»Verschwinden wir von hier!«, sagte Jasmin. Ich schaute Cort nach, verlor ihn aber aus den Augen, als ihn die dichtgedrängten Leiber verschluckten.
Wir stiegen vom Podest und liefen in die Richtung, in die Cort uns geschickt hatte. Als wir den Domplatz hinter uns gelassen hatten, bat Anton Kribbe uns allerdings, einen Moment lang stehen zu bleiben. Der alte Mann keuchte heftig. Die Stunden im Kerker, die Todesangst und die Aufregung hatten stark an seinen Kräften gezehrt.
Kribbe deutete auf eine Häuserreihe. »Diese Straße führt euch zum Jüdefeldertor. Wenn ihr die Möglichkeit habt, diesen verfluchten Ort zu verlassen, dann nutzt sie. Ich aber werde in Münster bleiben.«
»Das wäre dein Tod«, erwiderte ich. »Jeder hier kennt nun dein Gesicht und weiß, dass du hingerichtet werden solltest. Du kannst dich nicht mehr in deinem Haus einschließen und darauf hoffen, dass man dich gewähren lässt.«
»Das ist mir bewusst.« Kribbe lächelte matt. »Und ich muss sagen, ich habe es genossen, den Sektierern endlich öffentlich die Stirn bieten zu können. Aberich bin ein Sturkopf. Ich bleibe weiterhin der letzte Katholik in Münster, und ich freue mich darauf, zum Märtyrer zu werden. Mein Leben neigt sich ohnehin dem Ende zu. Sollen sie sich halt an mir versündigen.«
Ich bedauerte seine Entscheidung, reichte ihm aber die Hand zum Abschied.
»Grüßt meinen Sohn von mir«, sagte Kribbe.
Ich erwiderte nur ein Nicken und brachte es immer noch nicht übers Herz, Kribbe zu gestehen, dass sein Sohn schon vor Wochen gestorben war. Jasmin schloss den Alten kurz in die Arme und schniefte. Dann hob Kribbe die gichtige Hand zu einem letzten Gruß und ging davon.
»Wir sollten keine Zeit mehr verlieren«, sagte ich und lief mit Jasmin die Straße hinab. Am Tor angekommen suchten wir Deckung hinter einer Häuserecke, denn vor dem Torhaus hielten nach wie vor sechs Mann Wache, die mit Schwertern und Spießen bewaffnet waren. Sie alle wirkten unruhig, da aus der Ferne das Kreischen und Rufen der ekstatischen Menge an ihr Ohr drang.
»Und was nun?«, fragte Jasmin. »Reynold ist fort, Cort hatte etwas zu erledigen, und Anton Kribbe hat sich entschlossen, uns im Stich zu lassen und sich den Täufern auszuliefern. Was sollen wir machen?«
Mein Blick war noch immer auf das Tor gerichtet,und ich war genauso ratlos wie Jasmin. Dann aber hörten wir hinter uns Schritte. Ich wandte mich um und stellte erleichtert fest, dass Cort zu uns zurückkehrte. Über seine Schulter hatte er eine Person gelegt, die
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