Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
Engelszungen auf ihn eingeredet und ihm versichert, dass es kein Problem sein würde, sich unbemerkt davonzustehlen, wenn die Menge sich in Bewegung setzen und zum südlichen Stadttor strömen würde.«
»Davon hat er sich überzeugen lassen?«
»Nicht so ganz«, sagte Cort. »Letztendlich hat er aber zugestimmt. Ich glaube, er fühlt sich dir und Jasmin stärker verbunden, als es für euch den Anschein hat. Er konnte wohl den Gedanken nicht ertragen, dass ihr unter dem Schwert endet und er ohne euch zurückbleibt. Letztendlich hat ihn dieser Mut aber wohl selbst das Leben gekostet.«
Cort hatte recht. Ich hätte Reynold diesen Mut nicht zugetraut, obwohl wir seit mehr als zehn Jahren zusammen auf der Straße reisten. Und wenn ich ehrlich war, vermisste ich ihn schon jetzt – trotz all seiner Fehler.
»Das Zeichen Gottes«, sagte ich. »Wie hat Reynold den Donner herbeigeführt?«
»Das war sehr überzeugend, nicht wahr?«, meinte Cort mit erkennbarem Stolz. »Es war zu erwarten, dass die Täufer einen solchen Beweis von Reynold verlangen würden. Ich erinnerte mich daran, dass Anton Kribbe an unserem ersten Abend in seinem Haus davon gesprochen hatte, dass er in seinem Kellerversteck ein kleines Fass mit Schwarzpulver aufbewahrt. Aus diesem Grund kehrten Reynold und ich in die Neubrückenstraße zurück und stellten fest, dass die Täufer unserem alten Quartier kein Interesse mehr schenkten. Also brachen wir in der Nacht in das Haus ein, fraßen uns im Keller durch Kribbes Vorräte und entwendeten das Schwarzpulver. Reynold gelangte zudem noch an das Gewand, das er für sein Schauspiel verwenden konnte.«
»Ein guter Plan«, sagte ich und klopfte Cort anerkennend auf die Schulter.
»Ich selbst habe bis zuletzt gezweifelt, ob uns dieser gewagte Streich gelingt«, meinte Cort. »Und leider ist es für Reynold schlecht ausgegangen.«
»Wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Womöglich hat er sich auf dem Weg zum Tor in irgendeinem Versteck verkrochen.«
Cort schüttelte den Kopf. »Er wird keine Gelegenheit dazu gehabt haben. Die Augen aller Menschenwaren nur auf ihn gerichtet. Ich frage mich, was die mit ihm gemacht haben, nachdem sie feststellten, dass er sie belogen hat.«
»Quäl dich nicht damit, mein Freund.« Meine Augen wanderten zu Amalia, und mir kam in den Sinn, dass Cort unmittelbar vor der überstürzten Flucht aus Kribbes Haus sehr wütend auf mich gewesen war.
»Ich darf dich doch weiterhin Freund nennen?«, fragte ich vorsichtig.
Cort rümpfte die Nase. »Du kannst mir glauben, ich war kurz davor, dir den Hals umzudrehen, aber in den vergangenen Tagen habe ich nachgedacht, und ich habe begriffen, dass meine Gefühle für Amalia mehr als töricht waren. Sie wird niemals zu mir aufschauen, und eine Schlange wie sie ist es auch nicht wert, dass ich mich für sie aufopfere. Ab dem Moment, in dem wir sie ihrem Vater übergeben, wird sie für mich gestorben sein.«
»Ich beglückwünsche dich zu dieser Einsicht.«
Cort deutete auf Jasmin und flüsterte mir zu: »Ich glaube, sie leidet durch deinen Fehltritt mit Amalia viel mehr als ich. Du solltest mit ihr sprechen und das ins Reine bringen. Hier hast du ausreichend Zeit dazu.«
»Wahrscheinlich wird sie mir nicht zuhören wollen.«
Mit einem leichten Stoß forderte Cort mich auf,mich endlich neben sie zu setzen. »Das wirst du gleich herausfinden.«
Ich nickte, nahm all meinen Mut zusammen und kroch an Amalia vorbei auf Jasmin zu. Seit wir in diesen Graben gesprungen waren, hatte sie sehr nachdenklich gewirkt und kaum ein Wort gesprochen. Ich hockte mich neben sie, räusperte mich und sagte: »Jasmin, ich sollte …«
Sie ließ mich nicht ausreden, sondern fiel in meine Arme und presste ihren Mund auf meine Lippen. Es war sehr lange Zeit vergangen, seit sie mich zum letzten Mal so verlangend geküsst hatte. Ihr stürmischer Drang ließ mich nach hinten kippen, so dass ich gegen Amalia stieß, die unter ihrem Knebel wütend protestierte.
Ich erwiderte Jasmins unerwartete Zuwendung und genoss die Nähe, die ich seit so langer Zeit vermisst hatte. Als Jasmin sich von mir löste, schaute ich sie verwundert an.
»Ich bin mir über etwas klar geworden«, sagte sie. »Als der Scharfrichter sein Schwert angehoben hat, um dich zu enthaupten, hat es mir schier das Herz zerrissen. In den vergangenen Wochen haben wir beide unter unserem Streit gelitten. Ich will nicht länger wie eine Fremde neben dir leben. Wir gehören zusammen. Und wenn du
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