Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
nahm.
»Verschwinden wir endlich von hier«, rief ich Jasmin zu. Cort eilte auf sie zu und legte sich Amalia erneut über die Schulter, dann liefen wir durch das Torhaus. An einer Seitentür probierte ich mehrere der Schlüssel aus, bis es endlich im Schloss klackte und wir die Tür öffnen konnten. Wir überquerten eine Brücke und landeten im Niemandsland. Hier erwartete uns ein weiteres Problem. Die Landsknechte hinterder Schanze würden ohne Warnung das Feuer auf uns eröffnen. Wenn wir in die Reichweite ihrer Musketen gelangten, war unser Leben keinen Pfifferling mehr wert.
In einer Entfernung von etwa hundert Schritten machte ich einen der Gräben aus, mit denen die Belagerer einst versucht hatten, den Fluss trockenzulegen, der die äußeren Wallanlagen umschloss. Wir rannten darauf zu und sprangen hinein. Der Graben war so tief, dass man unsere Köpfe nicht mehr sehen konnte, wenn wir in die Hocke gingen. Weder die Bischöflichen noch die Täufer würden hier auf uns aufmerksam werden.
»Und was nun?«, wollte Cort wissen.
»Wir warten ab«, entgegnete ich. »Wenn die Nacht hereingebrochen ist, klettern wir in der Dunkelheit über den Wall.«
Alle nickten, nur Amalia protestierte dumpf hinter ihrem Knebel.
KAPITEL 32
Die erste Stunde befürchtete ich, dass jeden Augenblick eine Schar Bewaffneter aus dem Stadttor auf uns zustürmen würde, um uns mit ihren Spießen und Hellebarden aus unserem Versteck zu treiben. Meine andere Sorge war es, dass die Bischöflichen uns beobachtethatten und nun ihre Kanonen auf den Graben ausrichten würden, um uns mit einem Geschosshagel zur Stadt zurückzutreiben.
Doch auf beiden Seiten blieb es ruhig, und ich fasste neuen Mut. Wir würden hier den Rest des Tages und auch die halbe Nacht verbringen, denn kurz vor dem Morgengrauen würden die meisten Wachen auf dem Belagerungswall wohl müde werden oder schon in den Schlaf gesunken sein. Zu diesem Zeitpunkt bestand die geringste Gefahr, von den Landsknechten entdeckt zu werden, wenn wir über die Schanze kletterten und zurück ins Lager liefen.
Doch bis dahin mussten wir hier noch einige Stunden ausharren. Allzu bequem war es in dem schmalen Graben nicht. Die Regenfälle der vergangenen Tage hatten einen feuchten Untergrund hinterlassen, und in diesem Matsch kroch uns die Kälte schon bald die Beine hinauf. Cort hatte glücklicherweise daran gedacht, sich einen Lederschlauch mit Wasser umzuhängen, so dass wir unseren Durst stillen konnten. Als wir Amalias Knebel lockerten, damit auch sie von dem Wasser trinken konnte, schrie sie um Hilfe, woraufhin wir das Stofftuch sofort zurück in ihren Mund stopften und den Rest des Wassers für die Nacht aufbewahrten. Amalias Protest erschöpfte sich alsbald in einem wütenden Schnaufen.
Ich hockte mich neben Cort, weil ich endlich erfahren wollte, was überhaupt geschehen war, seit die Täufer Jasmin und mich in Anton Kribbes Haus überwältigt hatten.
»Wir sind gerannt wie die Hasen, bis uns die Luft ausging«, berichtete Cort. »Dann haben wir uns über Stunden in einem Bretterverschlag versteckt und sind bei jedem Geräusch zusammengezuckt. Ich hatte gehofft, ihr wäret ebenfalls entkommen. Hätte ich gewusst, dass sie Jasmin und dich gefangen gesetzt hatten …«
»… wäre es zu spät gewesen, um uns zu Hilfe zu eilen«, befreite ich ihn von etwaigen Vorwürfen. »Bockelsons Leute waren in der Überzahl, und ich habe dummerweise versucht, Amalia mit uns zu schleppen.«
»Trotzdem habe ich mich schlecht gefühlt, als wir am nächsten Tag unser Versteck verließen. In der Stadt wurde darüber gesprochen, dass drei Verräter, die eine der Frauen des Königs entführt hatten, nun im Kerker auf ihre Hinrichtung warteten. Ich überlegte, ob es möglich wäre, während des Gerichtstages so große Verwirrung zu stiften, dass ich in der Lage sein würde, euch aus eurer misslichen Situation zu befreien. Schließlich kam mir in den Sinn, wie überzeugend Reynold es verstanden hatte, den Propheten Dusentschur darzustellen, auch wenn er ihn nur hatteverspotten wollen. Ich machte also den Vorschlag, dass Reynold während der Urteilsverkündung als falscher Prophet die Aufmerksamkeit der Menge auf sich ziehen sollte, indem er lauthals die Ankunft des Erlösers Jesus Christus verkündete.«
»Und Reynold hat ohne weiteres in dein gefährliches Vorhaben eingewilligt?«, fragte ich.
»Zunächst ist ihm wohl das Herz in die Hose gerutscht, und er hat sich geweigert. Ich habe mit
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