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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Schreibtischschubladen herum. Er holt ein leeres Tablettenfläschchen heraus und zieht eine andere Schublade auf, nimmt eine große Flasche mit Kapseln heraus, öffnet sie und gibt drei Pillen in das kleinere Gefäß, bevor er es mir zuwirft.
    »Was ist das?«, frage ich, öffne das Fläschchen und kippe mir eine Tablette auf die Handfläche.
    »Ein Endorphin-Stabilisator kombiniert mit einem Antidepressivum. Es ist... hey, nicht...« Doch die Tablette ist schon in meinem Mund verschwunden und geschluckt. »Auf Morphinbasis.« Ben seufzt. »Deine Einstellung gegenüber Medikamenten ist ziemlich lässig und arrogant.«
    »Ich mag eben Opiate.«
    »Gewiss doch. Aber du musst nicht glauben, dass ich dir die Dinger tonnenweise gebe. Sag Bescheid, wenn du meinst, damit könntest du die Hochzeit überstehen. Für den Fall, dass es mit der anderen Sache nicht klappt. Sie halten ungefähr vier Stunden vor, du brauchtest also zwei.« Ben weist nickend auf die beiden verbleibenden Pillen. »Verschling sie nicht einfach zum Spaß, verstanden?«
    »Pfadfinderehrenwort.«
    Ben schnaubt verächtlich. Ich zahle ihm die Pillen und gehe. Auf dem Weg nach unten spüre ich, wie der Rausch mich packt, und am Fuß der Treppe bleibe ich stehen, um mich darin zu baden. Es ist lange her, seit ich dieses Gefühl hatte. Was immer Ben da hineingemixt hat, es ist phantastisch. Wie ein Orgasmus hoch zehn plus Kokain, und es scheint, als würde es noch stärker. Vor der Haustür stolpere ich praktisch über Gomez. Er hat auf mich gewartet.
    »Willst du mitfahren?«
    »Klar.« Seine Anteilnahme rührt mich zutiefst. Oder seine Neugier. Oder was immer es sein mag. Wir gehen zu seinem Auto, einem Chevy Nova mit zwei eingeschlagenen Scheinwerfern. Ich setze mich auf den Beifahrersitz. Gomez steigt ein und knallt die Tür zu. Dann bringt er den kleinen Wagen mühsam in Gang, und wir fahren los.
    Die Stadt ist grau und schmutzig, es fängt zu regnen an. Fette Tropfen klatschen auf die Windschutzscheibe, wir fliegen an Crackhäusern und leeren Grundstücken vorbei. Gomez schaltet NPR ein, sie spielen Charles Mingus, der mir ein bisschen langsam im Ohr klingt, andererseits warum nicht? Wir leben in einem freien Land. Die Ashland Avenue ist gespickt mit gehirnerschütternden Schlaglöchern, doch ansonsten ist alles gut, um nicht zu sagen sehr gut, mein Kopf ist im Fluss und beweglich, wie flüssiges Quecksilber aus einem zerbrochenen Thermometer, am liebsten würde ich stöhnen vor Glück, die Droge leckt mit winzigen chemischen Zungen an meinen Nervenenden. Wir lassen ESP Psychic Card Reader hinter uns, Pedro’s Tire Outlet, Burger King, Pizza Hut, und I am a Passenger schwirrt mir durch den Kopf und verschwimmt mit Mingus. Gomez sagt etwas, das ich nicht mitbekomme, und dann noch einmal:
    »Henry!«
    »Ja?«
    »Was hast du genommen?«
    »Weiß nicht genau. Ist ein wissenschaftliches Experiment, sozusagen.«
    »Warum?«
    »Stellare Frage. Komme später darauf zurück.«
    Wir sagen nichts mehr, bis das Auto vor Clare und Charisses Haus hält. Verwirrt sehe ich Gomez an.
    »Du brauchst Gesellschaft«, sagt er zärtlich. Ich widerspreche nicht. Gomez schließt die Haustür auf, wir gehen nach oben. Clare öffnet die Tür, sieht mich und ist erschüttert, erleichtert, begeistert - alles auf einmal.
     
    Clare: Ich habe Henry überredet, sich in mein Bett zu legen, und nun sitzen Gomez und ich im Wohnzimmer, trinken Tee und essen Sandwichs mit Erdnussbutter und Kiwigelee.
    »Lerne kochen, Frau«, intoniert Gomez. Er klingt wie Charlton Heston, wenn er die Zehn Gebote verkündet.
    »Demnächst.« Ich verrühre den Zucker in meinem Tee. »Danke, dass du ihn geholt hast.«
    »Für dich tu ich alles, Kätzchen.« Er dreht sich eine Zigarette. Gomez ist der Einzige in meinem Bekanntenkreis, der beim Essen raucht. Ich verkneife mir einen Kommentar. Er zündet sie an, mustert mich, ich bin auf alles gefasst. »Worum ging es eigentlich bei dieser kleinen Episode? Die meisten Leute, die auf Palliativmedizin zurückgreifen, sind Aids-Opfer oder Krebspatienten.«
    »Du kennst Ben?« Ich weiß nicht, warum mich das überrascht. Gomez kennt jeden.
    »Ich weiß von Ben. Meine Mom ging zu ihm, als sie ihre Chemo hatte.«
    »Aha.« Ich überdenke die Lage und suche nach etwas Unverfänglichem, das ich sagen kann.
    »Was Ben ihm gegeben hat, hat Henry jedenfalls in die Zeitlupenzone verfrachtet.«
    »Wir wollen etwas finden, das Henry hilft, in der Gegenwart zu

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