Die Frau des Zeitreisenden
macht ein ernstes Gesicht. »Weiß sie Bescheid?«
»Ja.«
»Na, großartig.« Er bedenkt mich mit einem Blick, der sagen will, ist ja alles schön und gut, aber was nun?
»Ihre Eltern haben eine riesige Hochzeit geplant, oben in Michigan. Mit Kirche, Brautjungfern, Reis und dem ganzen Brimborium. Danach gibt es im Yachtclub einen verschwenderischen Empfang. Weiße Krawatte, drunter geht nichts.«
Ben schenkt Kaffee aus und reicht mir einen Becher mit Winnie-the-Pooh-Aufdruck. Ich rühre etwas Milchpulver hinein. Hier oben ist es kalt, und der Kaffee riecht bitter, aber irgendwie gut.
»Ich muss voll da sein. Ich muss ungefähr acht Stunden irrsinnigen Stress durchstehen, ohne zu verschwinden.«
»Ah.« Ben hat eine Art, auf Probleme einzugehen, sie einfach zu akzeptieren, die ich sehr beruhigend finde.
»Ich brauche etwas, das jeden Dopaminrezeptor, den ich besitze, außer Gefecht setzt.«
»Navane, Haldol, Thorazine, Serentil, Mellaril, Stelazine...« Ben putzt sich die Brille mit seinem Pullover. Ohne sie ähnelt er einer großen haarlosen Maus.
»Ich dachte mir, vielleicht könntest du das hier für mich machen.« Ich fische in meiner Jeans nach einem Zettel, finde ihn und gebe ihn Ben. Er kneift die Augen zusammen und liest.
»3-(2-[4(6-Fluor-i,2-benzisoxazol-3-yl)piperidino] ... tetrahy-dro-2-methyl-4H-pyrido ... pyrimidin...« Er blickt verstört zu mir auf. »Was ist das?«
»Ein neues Antipsychotikum mit dem Wirkstoff Risperidon, das als Risperdal gehandelt wird. Auf den Markt gebracht wird es 1998, aber ich würde es gern schon jetzt ausprobieren. Das Mittel gehört zu einer neuen Klasse von Drogen namens Benzisoxazolderivate.«
»Woher hast du das?«
»Aus dem Handbuch. Ausgabe 2000.«
»Wer stellt es her?«
»Janssen.«
»Henry, wie du weißt, verträgst du Antipsychotika nicht sonderlich gut. Es sei denn, das Mittel wirkt auf eine radikal andere Weise.«
»Man weiß nicht, wie es wirkt. Selektive Monoaminoxydase-Hemmer mit hoher Affinität für Serotonin Typ 2, Dopamin Typ 2, bla, bla, bla.«
»Na ja, alles das Gleiche. Was lässt dich glauben, dass dieses Mittel besser wirkt als Haldol?«
Ich schenke ihm ein geduldiges Lächeln. »Das ist eine begründete Vermutung. Sicher weiß ich es nicht. Kannst du mir das Mittel machen?«
Ben zögert. »Ja, ich kann.«
»Wie schnell? Es dauert eine Weile, bis es im Körper anschlägt.«
»Ich geb dir Bescheid. Wann ist die Hochezit?«
»Am 23. Oktober.«
»Mmm. Wie ist die Dosierung?«
»Fängt mit einem Miligramm an und wird dann gesteigert.«
Ben steht auf, streckt sich. Im düsteren Licht des kalten Raums wirkt er alt, gelbsüchtig, dünnhäutig. Einerseits liebt Ben die Herausforderung {hey, wir kopieren dieses Avantgarte-Medikament, das bisher noch niemand erfunden hat), und dann wieder scheut er das Risiko. »Henry, du weißt ja nicht mal genau, ob Dopamin wirklich dein Problem ist.«
»Du hast die Bilder gesehen.«
»Ja, schon gut. Warum lebst du nicht einfach damit? Die Heilung könnte schlimmer werden als das Problem.«
»Ben. Wenn ich jetzt, in diesem Augenblick, mit den Fingern schnippen würde« - ich stehe auf, neige mich dicht an ihn heran, schnippe mit den Fingern - »und du dich plötzlich im Zimmer von Allen wiederfinden würdest, im Jahr 1986...«
»...würde ich das Arschloch umbringen.«
»Aber es geht nicht, weil du’s nicht getan hast.« Ben schließt die Augen, schüttelt den Kopf. »Du kannst nichts ändern: Er wird trotzdem krank, du wirst trotzdem krank, und so weiter. Was wäre, wenn du ihn immer wieder sterben sehen würdest?« Ben sitzt auf dem Klappstuhl, er sieht mich nicht an. »So ergeht es mir, Ben. Im Ernst, manchmal macht es Spaß. Aber meistens bedeutet es, dass ich mich verliere, stehlen muss und einfach nur versuche...«
»Über die Runden zu kommen.« Ben seufzt. »Mein Gott, ich weiß nicht, warum ich mich mit dir abgebe.«
»Der Reiz des Neuen? Mein jungenhaftes gutes Aussehen?«
»Träum nur weiter. Hey, bin ich zur Hochzeit eingeladen?«
Ben verblüfft mich. Ich hätte nie gedacht, dass er dabei sein möchte. »Klar! Wirklich? Du würdest kommen?«
»Besser als eine Beerdigung.«
»Toll! Meine Seite in der Kirche füllt sich rapide. Du bist schon mein achter Gast.«
Ben lacht. »Lade alle deine Ex-Freundinnen ein. Das füllt die Ränge.«
»Nur würde ich es nicht überleben. Die meisten wollen meinen Kopf auf einem Stock.«
»Mmm.« Ben steht auf und wühlt in einer seiner
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