Die Frau des Zeitreisenden
Fliege in einem Spinnennetz. Sieh nur, da ist sein Herzschlag.
Es ist Abend geworden. Ich leere das Wasserglas aus und wasche den Pinsel. Ich sperre die Ateliertür ab, durchquere den Garten und gehe durch die hintere Tür ins Haus. Henry macht gerade Spaghettisauce. Er blickt auf, als ich hereinkomme.
»Besser?«, fragt er.
»Besser«, beruhige ich ihn und mich.
Clare: Es liegt auf dem Bett. Da ist Blut, aber nicht allzu viel. Es liegt auf dem Rücken, versucht zu atmen, der kleine Brustkorb zittert, aber es ist zu früh, alles zieht sich krampfhaft zusammen, und aus der Nabelschnur sprudelt Blut im Rhythmus des Herzschlags. Ich knie mich neben das Bett und hebe es hoch, hebe ihn hoch, meinen winzigen Jungen, er zappelt wie ein frisch gefangener Fisch, er ertrinkt in Luft. Ganz behutsam halte ich ihn in den Händen, aber er weiß nicht, dass ich da bin und ihn halte, er ist glitschig, und seine Haut ist beinahe durchscheinend, die Augen sind geschlossen und ich denke fieberhaft an Mund-zu-Mund-Beatmung, an einen Krankenwagen und an Henry, oh, geh nicht, bevor Henry dich gesehen hat\, aber sein Atem blubbert von Flüssigkeit, kleines Meerwesen atmet Wasser, und dann sperrt er den Mund weit auf und ich kann durch ihn hindurchsehen und meine Hände sind leer und er ist weg. Verschwunden.
Ich weiß nicht wie lange, die Zeit verstreicht. Ich knie da. Auf Knien bete ich. Lieber Gott. Lieber Gott. Lieber Gott. Das Baby rührt sich in meinem Bauch. Seht. Versteck dich.
Ich erwache im Krankenhaus. Henry ist da. Das Kind ist tot.
SIEBEN
Donnerstag, 28. Dezember 2000 (Henry ist 33 und 37, Clare 29)
Henry: Ich stehe in unserem Schlafzimmer, in der Zukunft. Es ist Nacht, doch das Mondlicht verleiht dem Raum eine surreale, monochrome Klarheit. Meine Ohren klingeln, wie oft, wenn ich in der Zukunft bin. Ich blicke auf Clare und mich hinab, beide schlafend. Es ist wie ein Tod. Ich schlafe fest zusammengerollt, Knie an der Brust, eingehüllt in Decken, Mund leicht geöffnet. Ich möchte mich berühren. Ich möchte mich in die Arme nehmen, mir in die Augen schauen. Aber so wird es nicht kommen; eine ganze Weile stehe ich da und betrachte interessiert mein schlafendes späteres Ich. Schließlich gehe ich leise auf Clares Bettseite und knie nieder. Es fühlt sich sehr wie die Gegenwart an. Ich zwinge mich, den anderen Körper im Bett zu vergessen und mich auf Clare zu konzentrieren.
Sie bewegt sich, ihre Augen öffnen sich. Sie weiß nicht genau, wo wir uns befinden. Mir geht es ähnlich.
Verlangen übermannt mich, eine Sehnsucht, mit Clare so innig wie möglich verbunden zu sein, hier zu sein, jetzt. Ich küsse sie ganz leicht, lasse mir Zeit, denke an nichts. Schlaftrunken hebt sie die Hand an mein Gesicht und wird, als sie meine Festigkeit spürt, etwas wacher. Jetzt ist sie voll da, streicht mit der Hand meinen Arm entlang, eine Liebkosung. Vorsichtig schlage ich die Decke zurück, um mein anderes Ich, dessen Anwesenheit Clare noch immer nicht bewusst ist, nicht zu stören. Ich frage mich, ob dieses andere Ich überhaupt aufwachen kann, nehme mir aber vor, es nicht herauszufinden. Ich liege oben auf Clare, bedecke sie ganz mit meinem Körper. Ich wünschte, ich könnte verhindern, dass sie den Kopf zur Seite wendet, aber sie wird es gleich tun. Als ich in Clare eindringe, schaut sie mich an, und mir ist, als würde ich nicht existieren, aber eine Sekunde später dreht sie den Kopf und sieht mich. Sie stößt einen Schrei aus, nicht laut, und blickt wieder zu mir, der über ihr, in ihr ist. Dann erinnert sie sich, findet sich damit ab, ist alles ziemlich komisch, aber mm ja, und in diesem Augenblick liebe ich sie mehr als mein Leben.
Montag, 12. Februar 2001 (Henry ist 37, Clare 29)
Henry: Schon die ganze Woche ist Clare in einer seltsamen Stimmung. Sie ist zerstreut. Als würde etwas ihre Aufmerksamkeit fesseln, das nur sie hört, als würde sie durch ihre Füllungen aufschlussreiche Dinge von Gott erfahren oder versuchen, Satellitenübertragungen russischer Kryptologie im Kopf zu dekodieren. Wenn ich sie darauf anspreche, lächelt sie nur und zuckt die Schultern. Dieses Verhalten ist so untypisch für sie, dass es mich erschreckt und ich sofort auf Abstand gehe.
Eines Abends, als ich von der Arbeit nach Hause komme, sagt mir ein einziger Blick auf Clare, dass etwas Schlimmes geschehen ist. Ihre Miene ist ängstlich und bittend. Sie tritt dicht zu mir heran, bleibt stehen und sagt kein Wort. Jemand ist
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