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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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fährt mit dem Schallkopf über ihren Bauch. Die technische Assistentin beäugt den Monitor. Amit Montague, eine große, hoheitsvolle Frau französisch-marokkanischer Abstammung, beäugt ihn ebenso. Clare und ich halten uns an den Händen. Auch wir lassen den Monitor nicht aus den Augen. Langsam, Stück um Stück, baut das Bild sich auf.
    Auf dem Bildschirm erscheint eine Wetterkarte von der ganzen Welt. Oder eine Galaxie, ein Gewusel von Sternen. Oder ein Baby.
    »Bien joué, une fille«, sagt Dr. Montague. »Sie lutscht am Daumen. Sie ist sehr hübsch. Und sehr groß.«
    Clare und ich atmen auf. Auf dem Bildschirm lutscht eine hübsche Galaxie am Daumen. Noch während wir sie beobachten, nimmt sie die Hand vom Mund weg. Dr. Montague sagt: »Sie lächelt.« Und das tun auch wir.
Montag, 20. August 2001 (Clare ist 30, Henry 38)
     
    Clare: In zwei Wochen soll das Baby kommen, und wir haben noch immer keinen Namen. Genau genommen haben wir kaum darüber geredet, sondern das ganze Thema abergläubisch gemieden, wie wenn ein Name dazu führen könnte, dass die Furien auf sie aufmerksam werden und sie quälen. Schließlich bringt Henry ein Buch mit dem Titel Lexikon der Vornamen mit.
    Wir liegen im Bett. Es ist erst 20.30 Uhr, aber ich bin völlig erledigt. Ich liege auf der Seite, mein Bauch eine Halbinsel, das Gesicht Henry zugewandt, der seinerseits auf der Seite liegt und mich, den Kopf auf den Arm gestützt, ansieht, zwischen uns auf dem Bett das Buch. Wir schauen uns an, lächeln nervös.
    »Irgendwelche Vorstellungen?«, sagt er und blättert das Buch durch.
    »Jane«, erwidere ich.
    Er schneidet eine Grimasse. »Jane?«
    »Meine Puppen und Kuscheltiere hießen früher immer Jane. Jedes Einzelne.«
    Henry schlägt den Namen nach. »Es bedeutet >die Gottbegnadetem«
    »Damit kann ich leben.«
    »Suchen wir lieber etwas Ausgefalleneres. Was hältst du von Irette? Oder Jodotha?« Er blättert weiter. »Das klingt gut: Loololuluah. Arabisch für Perle.«
    »Wie wär’s mit Pearl?« Ich stelle mir das Kind als glatte schimmernde weiße Kugel vor.
    Henry fährt mit dem Finger die Spalte entlang. »Also: >(lat.) vermutlich eine Variante von perula, in Bezug auf die überaus wertvolle Form dieses durch das Eindringen eines Fremdkörpers entstandenen Produkts. «<
    »Igitt. Was ist das denn für ein Buch?« Ich nehme es ihm aus der Hand und schlage aus Jux bei Henry nach: »>Henry (teut.), Herrscher des Hauses: Oberhaupt der Wohnung.<«
    Er lacht. »Schlag bei Clare nach.«
    »Ist nur eine andere Form von >Clara, lat. hell, leuchtend, klar.«<
    »Das ist gut«, sagt er.
    Ich blättere wahllos durch das Buch. »Philomele?«
    »Das gefällt mir«, sagt Henry. »Aber meinst du nicht, beim Thema Spitznamen wird es schrecklich? Philly? Mel?«
    »Pyrene, griech. rothaarig.«
    »Und wenn sie gar nicht rothaarig ist?« Henry greift über das Buch, nimmt eine Handvoll meiner Haare und steckt sich die Spitzen in den Mund. Ich entziehe sie ihm und lege meine Haare hinter mich.
    »Ich dachte, wir wüssten alles Wissenswerte über unser Kind. Kendrick hat doch bestimmt den Rote-Haare-Test gemacht«, sage ich.
    Henry holt sich das Buch wieder von mir. »Yseult? Zoe? Mir gefällt Zoe. Zoe hat gute Chancen.«
    »Was bedeutet es?«
    »Leben.«
    »Ja, sehr gut. Mach ein Lesezeichen rein.«
    »Eliza«, schlägt Henry vor.
    »Elizabeth.«
    Henry sieht mich an, zögert. »Annette.«
    »Lucy.«
    »Nein«, sagt Henry fest.
    »Nein«, stimme ich zu.
    »Was wir brauchen«, meint Henry, »ist ein Neuanfang. Ein leeres Blatt. Nennen wir sie Tabula rasa.«
    »Nennen wir sie Titanweiß.«
    »Blanche, Bianca, Bianca...«
    »Alba«, sage ich.
    »Wie in Herzogin von?«
    »Alba DeTamble.« Der Name geht mir beim Sprechen angenehm leicht von der Zunge.
    »Klingt hübsch, wie die vielen kleinen Jamben so dahinfließen...« Er blättert im Buch. »>Alba, lat. (weiße) Perle. Provenzalisch: Tagesanbruchs Hmm.« Henry steigt schwerfällig vom Bett. Ich höre, wie er im Wohnzimmer herumstöbert, und ein paar Minuten später kommt er mit Band I des OED zurück, dem großen Random-House-Wörterbuch und meiner altersschwachen Encyclopedia Americana Buch I, A bis Annuarium. »Ein Morgenlied der provenzalischen Dichter ... zu Ehren ihrer Geliebten. >Réveillés, à l’aurore, par le cri du guetteur, deux amants qui viennent de passer la nuit ensemble se séparent en maudissant le jour qui vient trop tôt; tel est le thème, non moins invariable que celui de la

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