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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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gestorben, denke ich. Wer ist gestorben? Dad? Kimy? Philip?
    »Sag etwas«, bitte ich sie. »Was ist los?«
    »Ich bin schwanger.«
    »Wie kannst du...« Noch während ich es ausspreche, weiß ich genau, wie sie kann. »Vergiss es, ich erinnere mich.« Für mich liegt jene Nacht Jahre zurück, doch für Clare ist es erst ein paar Wochen her. Ich kam aus dem Jahr 1996, einer Zeit, in der wir verzweifelt probierten, schwanger zu werden, und Clare war nur halb wach. Ich verwünsche mich, wie konnte ich nur so ein leichtsinniger Idiot sein. Clare erwartet, dass ich etwas sage. Ich ringe mir ein Lächeln ab.
    »So eine Überraschung.«
    »Ja.« Sie wirkt ein bisschen traurig. Ich nehme sie in die Arme, und sie klammert sich fest an mich.
    »Hast du Angst?«, flüstere ich in Clares Haar.
    »M-hm.«
    »Früher hattest du nie Angst.«
    »Früher war ich auch verrückt. Jetzt weiß ich...«
    »Wie es ist.«
    »Was passieren kann.« Wir stehen da und denken an das, was passieren kann.
    Ich zögere eine Weile. »Wir könnten...« Ich lasse den Satz in der Luft hängen.
    »Nein, ich kann nicht.« Und das stimmt. Clare kann nicht. Einmal Katholik, immer Katholik.
    »Vielleicht geht ja alles gut«, sage ich. »Ein glücklicher Unfall.«
    Clare lächelt, und ich merke, wie sehr sie es will, wie sehr sie hofft, dass die sieben unsere Glückszahl ist. Mir schnürt sich die Kehle zu, ich muss mich abwenden.
Dienstag, 20. Februar 2001 (Clare ist 29, Henry 37)
     
    Clare: Um 7.46 Uhr schaltet sich der Radiowecker ein, und National Public Radio erzählt mir traurig, dass irgendwo ein Flugzeug abgestürzt ist und sechsundachtzig Menschen tot sind. Ich bin fast sicher, einer von ihnen zu sein. Henrys Bettseite ist leer. Ich schließe die Augen und liege in einer kleinen Koje in der Kabine eines Ozeandampfers, der über schwere See stampft. Ich seufze, steige vorsichtig aus dem Bett und schleiche ins Badezimmer. Zehn Minuten später, als Henry den Kopf zur Tür hereinstreckt und fragt, ob alles in Ordnung ist, übergebe ich mich immer noch.
    »Großartig. Mir ging’s nie besser.«
    Er setzt sich auf den Badewannenrand. Mir wäre es lieber, ich hätte hierbei kein Publikum. »Muss ich mir Sorgen machen? Früher hast du dich nie übergeben.«
    »Amit sagt, das ist gut, ich soll mich ruhig übergeben. Mein Körper erkennt das Kind als Teil von mir an und nicht als Fremdkörper. Amit hat mir so ein Mittel gegeben, das man Leuten nach Organtransplantationen verabreicht.«
    »Vielleicht sollte ich heute eine größere Blutkonserve für dich abgeben.« Henry und ich haben beide Blutgruppe o. Ich nicke und übergebe mich erneut. Wir sind beide eifrige Blutspender; er hat zweimal Transfusionen benötigt, ich hatte drei, einmal brauchte ich eine große Menge. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, bevor ich wacklig auf die Füße komme. Henry stützt mich. Ich wische mir den Mund ab und putze mir die Zähne. In der Zwischenzeit geht Henry nach unten und macht Frühstück. Plötzlich überkommt mich ein großes Verlangen nach Haferflocken.
    »Haferflocken!«, brülle ich die Treppe hinunter.
    »In Ordnung!«
    Langsam bürste ich mir die Haare. Mein Ebenbild im Spiegel zeigt mich rosarot und verquollen. Und ich dachte immer, schwangere Frauen sollen leuchten. Ich leuchte nicht. Schade. Dafür bin ich noch schwanger, und nur das zählt.
Donnerstag, 19. April 2001 (Henry ist 37, Clare 29)
     
    Henry: Wir sind zur Ultraschalluntersuchung in Amit Montagues Praxis. Clare und ich waren einerseits dafür, andererseits dagegen. Eine Amniozentese haben wir abgelehnt, weil wir sicher sind, unser Kind zu verlieren, wenn mit einer langen Nadel an ihm herumgestochert wird. Clare ist in der achtzehnten Schwangerschaftswoche. Halb am Ziel; könnten wir die Zeit jetzt zusammenfalten wie ein Bild beim Rorschachtest, wäre dies der Falz in der Mitte. Wir leben in einem Zustand des permanten Atemanhaltens, haben Angst, die Luft auszustoßen, weil wir befurchten, das Baby zu früh auszuatmen.
    Im Wartezimmer sitzen noch weitere werdende Eltern und Mütter mit Buggys und Kleinkindern, die herumrennen und an Sachen stoßen. Ich finde Dr. Montagues Praxis immer wieder deprimierend, weil wir hier so viel Zeit verbracht haben, ängstlich und in Erwartung schlechter Nachrichten. Aber heute ist es anders. Heute ist alles in Ordnung.
    Eine Schwester ruft uns auf. Wir begeben uns in ein Untersuchungszimmer. Clare zieht sich aus, legt sich auf die Liege, Gel wird aufgetragen und man

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