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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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irgendwie überredet, dass ich Alba zum Museumseingang mitnehmen darf, wo wir uns mit ihr treffen werden. Ich danke Mrs Cooper, die sich in einer seltsamen Situation ziemlich charmant verhalten hat, und Alba und ich gehen Hand in Hand aus dem Morton-Flügel die Wendeltreppe hinunter zu den chinesischen Keramiken. Meine Gedanken überschlagen sich. Was soll ich zuerst fragen?
    »Danke für die Videos«, sagt Alba. »Mama hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.« Welche Videos? »Ich kann schon das Yale und das Master, im Moment arbeite ich am Walters.«
    Schlösser. Meine Tochter lernt, wie man Schlösser knackt. »Großartig. Mach weiter so. Hör mal, Alba.«
    »Daddy?«
    »Was ist eine CGP?«
    »Eine chronogestörte Person.« Vor einem Porzallandrachen aus der Tang-Dynastie setzen wir uns auf eine Bank. Alba schaut mich an, ihre Hände liegen im Schoß. Sie sieht genauso aus wie ich mit zehn. Ich kann das alles kaum begreifen. Sie ist noch gar nicht auf der Welt, und schon sitzt sie da, wie Athene, als Erwachsene geboren. Ich bin ehrlich zu ihr.
    »Weißt du, ich treffe dich heute zum ersten Mal.«
    Alba lächelt. »Freut mich sehr.« Sie ist das selbstbeherrschteste Kind, das mir jemals begegnet ist. Ich mustere sie eingehend: Wo verbirgt sich Clare in diesem Mädchen?
    »Sehen wir uns oft?«
    Sie überlegt. »Nein. Es ist ungefähr ein Jahr her. Mit acht hab ich dich ein paar Mal gesehen.«
    »Wie alt warst du, als ich gestorben bin?« Ich halte die Luft an.
    »Fünf.« Himmel. Das ist zu viel für mich.
    »Entschuldige! Hätte ich das lieber nicht sagen sollen?« Alba ist zerknirscht. Ich drücke sie an mich.
    »Schon gut. Schließlich hab ich dich gefragt, oder?« Ich atme tief durch. »Wie geht es Clare?«
    »Ganz gut. Sie ist traurig.« Das trifft mich tief. Ich merke, dass ich eigentlich nichts mehr wissen möchte.
    »Und du? Was macht die Schule? Was lernst du gerade?«
    Alba grinst. »In der Schule lerne ich nicht viel, aber ich lese alles über die ersten Instrumente und Ägypten, und Mama und ich lesen gerade Herr der Ringe , und ich lerne einen Tango von Astor Piazzolla.«
    Mit zehn? Meine Güte. »Du spielst Geige? Wer ist dein Lehrer?«
    »Gramps.« Einen Augenblick nehme ich an, sie meint meinen Großvater, aber dann wird mir klar, dass sie Dad meint. Wunderbar. Wenn Dad Alba unterrichtet, muss sie sehr gut sein.
    »Bist du gut?« Was für eine unverschämte Frage.
    »Ja. Ich bin sehr gut.« Gott sei Dank.
    »Ich war in Musik nie gut.«
    »Gramps sagt das auch.« Sie kichert. »Aber du hörst gern Musik.«
    »Ich liebe Musik. Ich kann nur nicht selbst spielen.«
    »Ich hab Grandma Annette singen gehört! Sie war so schön.«
    »Welche Platte?«
    »Ich hab sie in echt gesehen. In der Lyric Opera. Sie sang Aida.«
    Sie ist eine CGP, genau wie ich. Oh, Mist. »Du reist durch die Zeit.«
    »Klar.« Alba lächelt glücklich. »Mama sagt immer, du und ich, wir sind genau gleich. Und Dr. Kendrick meint, ich bin ein Wunder.«
    »Wie kommt er darauf?«
    »Manchmal kann ich Weggehen, wann und wohin ich will.« Alba scheint so zufrieden mit sich, dass ich sie fast beneide.
    »Kannst du auch hier bleiben, wenn du nicht gehen willst?«
    »Also, nein.« Sie wirkt verlegen. »Aber mir gefällt es. Sicher, manchmal passt es gerade nicht, aber ... es ist interessant, weißt du?« Ja. Ich weiß.
    »Komm mich doch besuchen, wenn du in jede Zeit reisen kannst.«
    »Wollte ich schon. Einmal hab ich dich auf der Straße gesehen, du warst mit einer blonden Frau unterwegs. Aber irgendwie hast du sehr beschäftigt gewirkt.« Alba errötet, und mit einem Mal, nur für den Bruchteil einer Sekunde, sieht mich Clare aus ihr an.
    »Das war Ingrid. Mit ihr war ich zusammen, bevor ich deiner Mom begegnet bin.« Ich überlege, was Ing und ich wohl gemacht haben könnten, das Alba so unangenehm in Erinnerung ist, und ich bedauere unendlich, dass ich einen schlechten Eindruck auf dieses vernünftige liebenswerte Mädchen gemacht habe. »Wo wir gerade bei deiner Mom sind, wir sollten nach draußen gehen und auf sie warten.« Das hohe Sirren hat wieder eingesetzt, und ich hoffe nur, Clare schafft es hierher, bevor ich weg bin. Alba und ich stehen auf und begeben uns schnell zur Vordertreppe. Es ist Spätherbst, und da sie keinen Mantel anhat, schlinge ich meinen um uns beide. Ich lehne mich an den Granitblock, auf dem einer der Löwen sitzt, den Blick nach Süden gewandt, und Alba lehnt sich an mich, umgeben von meinem Mantel, sie schmiegt

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