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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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sich an meinen bloßen Körper und nur ihr Gesicht ragt auf Höhe meiner Brust heraus. Es ist ein verregneter Tag. Der Verkehr schwimmt die Michigan Avenue entlang. Ich bin wie berauscht von der überwältigenden Liebe, die ich für mein erstaunliches Kind empfinde, das bei mir steht, als gehörte es zu mir, als wären wir nie getrennt, als hätten wir alle Zeit der Welt. Ich klammere mich an diesen Augenblick, kämpfe gegen die Müdigkeit und den Sog meiner eigenen Zeit. Bitte lass mich bleiben, flehe ich meinen Körper, Gott, Gevatter Zeit, den Weihnachtsmann an, jeden, der mich anhören könnte. Ich will nur Clare sehen, dann komme ich friedlich mit.
    »Da ist Mama«, sagt Alba. Ein weißes Auto, das ich nicht kenne, fährt schnell auf uns zu. An der Kreuzung hält es an, und Clare springt heraus, sie lässt es einfach stehen und blockiert den Verkehr.
    »Henry!« Ich will zu Clare laufen, die auf mich zurennt, aber auf der Treppe breche ich zusammen und strecke die Arme nach ihr aus: Alba hält mich und brüllt etwas, Clare ist nur noch ein paar Meter von mir entfernt, und unter Aufbietung meiner letzten Willenskraft sehe ich sie an, die so weit weg scheint, und sage so deutlich wie ich kann »Ich liebe dich«. Dann bin ich verschwunden. Schade. Wirklich schade.
Freitag, 24. August 2001 (Clare ist 30, Henry 38)
19.20 Uhr
     
    Clare: Ich liege auf dem ramponierten Liegesofa im Garten, umgeben von Büchern und Zeitschriften, neben mir ein halb ausgetrunkenes Glas Limonade, die inzwischen von den geschmolzenen Eiswürfeln verwässert ist. Allmählich kühlt es ein bisschen ab. Noch vorhin hatte es neunundzwanzig Grad, jetzt aber weht eine Brise, und die Zikaden singen ihr spätes Sommerlied. Fünfzehn Jets aus unbekannten Entfernungen sind auf dem Weg zum Flughafen O’Hare über mich hinweggeflogen. Mein Bauch ragt vor mir auf, verankert mich an diesem Fleck. Henry ist seit gestern früh um acht verschwunden und allmählich mache ich mir Sorgen. Was ist, wenn die Wehen einsetzen und er nicht da ist? Was ist, wenn ich das Kind bekomme und er immer noch nicht zurück ist? Was ist, wenn er verletzt ist? Wenn er tot ist? Wenn ich sterbe? Diese Gedanken jagen sich gegenseitig, beißen sich in den Schwanz wie jene komischen Pelzteile, die alte Damen früher um den Hals trugen, sie schwirren mir im Kopf herum, bis ich es keine Minute länger aushalte. Gewöhnlich verdränge ich meine Angst gern in hektischer Geschäftigkeit; ich mache mir Sorgen um Henry, während ich mein Atelier schrubbe, neun Maschinen Wäsche wasche oder drei Stapel Papier schöpfe. Nun aber liege ich hier in der frühen Abendsonne in unserem Garten, gebunden durch meinen Bauch, während Henry irgendwo draußen ist... und ich weiß nicht, was er gerade macht. O Gott. Bring ihn zurück. Sofort.
    Doch nichts geschieht. Mr Panetta fährt die Gasse entlang, seine Garagentür öffnet sich quietschend und schließt sich dann. Der Eismann fährt mit seinem Wagen vorbei und klingelt. Die Leuchtkäfer beginnen ihre Abendorgien. Aber kein Henry.
    Langsam knurrt mir der Magen. Ich werde noch im Garten verhungern, weil Henry nicht da ist und mir etwas zu Abend kocht. Alba strampelt, und ich überlege, ob ich aufstehen, in die Küche gehen und mir etwas zu essen machen soll. Am Ende entscheide ich mich für das, was ich immer mache, wenn Henry nicht da ist, um mich zu versorgen. Langsam, Stück um Stück, stehe ich auf und gehe gemächlich ins Haus. Ich nehme meine Handtasche, schalte ein paar Lichter an, gehe zur vorderen Tür hinaus und sperre ab. Die Bewegung tut gut. Wieder muss ich staunen und bin erstaunt, darüber zu staunen, dass nur ein Teil meines Körpers so riesig ist, als wäre ich jemand, bei dem die Schöhnheitsoperation missglückt ist, als wäre ich eine dieser afrikanischen Stammesfrauen, deren Schönheitsideal einen extrem verlängerten Hals oder Lippen oder Ohrläppchen erfordert. Ich gleiche mein Gewicht gegen das von Alba aus, und in diesem siamesischen Zwillingstanzstil gehen wir zum Opart Thai Restaurant.
    Das Lokal ist kühl und ziemlich voll. Man führt mich an einen Tisch vorne am Fenster. Ich bestelle Frühlingsrollen und Pad Thai mit Tofu, das ist mild und ungefährlich. Ich trinke ein ganzes Glas Wasser. Alba drückt auf meine Blase; ich gehe auf die Toilette, und bei meiner Rückkehr steht die Vorspeise auf dem Tisch. Beim Essen stelle ich mir die Unterhaltung vor, die Henry und ich führen würden, wenn er hier wäre. Ich überlege,

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