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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Wohnzimmer und Henry liegt auf dem Boden, zitternd, weiß und eiskalt... »Hilf mir«, sagt er durch klappernde Zähne, und ich renne zum Telefon.
Später:
    In der Notfallambulanz: Eine Szene aus der neonbeleuchteten Vorhölle: Alte Menschen voller Gebrechen, Mütter mit fiebrigen Kleinkindern, Jugendliche, deren Freunde sich Kugeln aus diversen Köpergliedern entfernen lassen und die später damit vor bewundernden Mädchen angeben werden; im Moment aber sind sie still und müde.
    In einem kleinen weißen Zimmer: Schwestern heben Henry auf ein Bett und entfernen die Decke. Seine Augen öffnen sich, nehmen mich wahr, schließen sich wieder. Eine Schwester misst Temperatur und Puls. Henry zittert, er zittert so heftig, dass das Bett wackelt, dass der Arm der Schwester bebt, als läge sie in einem der Massagebetten in einem Motel der 1970er Jahre. Die Oberärztin untersucht Henrys Pupillen, Ohren, Nase, Finger, Zehen, Genitalien. Sie wickeln ihn in Decken und etwas Metallisches und Aluminiumfolienartiges. Dann packen sie seine Füße in einen Kälteverband. In dem kleinen Zimmer ist es sehr warm. Henrys Augen öffnen sich wieder. Er will etwas sagen. Es klingt nach meinem Namen. Ich fasse unter die Decke, halte seine eiskalte Hand in der meinen und schaue die Schwester an. »Wir müssen ihn aufwärmen und seine Kerntemperatur erhöhen«, sagt sie. »Dann sehen wir weiter.«
Später:
    Wie um alles in der Welt konnte er sich im September unterkühlen?«, fragt mich die Oberärztin.
    »Ich weiß es nicht«, sage ich. »Fragen Sie ihn.«
Später:
    Es ist Morgen. Charisse und ich sitzen in der Krankenhaus-Cafeteria. Sie isst Schokoladenpudding. Oben schläft Henry in seinem Zimmer. Kimy passt auf ihn auf. Auf meinem Teller liegen zwei Scheiben Toast, von Butter durchweicht und unberührt. Jemand setzt sich neben Charisse, es ist Kendrick. »Gute Nachrichten«, sagt er, »seine Kerntemperatur ist auf sechsunddreißig Komma fünf gestiegen. Das Gehirn scheint unversehrt zu sein.«
    Ich kann nichts sagen, denke nur, Gott sei Dank.
    »Na schön, ich komme später wieder vorbei, wenn ich im Rush St. Luke fertig bin«, sagt Kendrick und steht auf.
    »Vielen Dank, David«, sage ich. Kendrick lächelt und geht.
    Dr. Murray kommt mit einer indischen Krankenschwester herein, auf deren Namensschild Sue steht. Sue trägt eine große Schüssel, ein Thermometer und einen Eimer. Ganz gleich, was jetzt passiert, es ist nicht High Tech.
    »Guten Morgen, Mr DeTamble, Mrs DeTamble. Wir wollen Ihre Füße aufwärmen.« Sue stellt die Schüssel auf den Boden und verschwindet stumm im Badezimmer. Wasser rauscht. Dr. Murray ist sehr groß und hat eine herrliche Turmfrisur, wie sie sich nur bestimmte imposante und schöne schwarze Frauen leisten können. Ihre massige Gestalt verjüngt sich vom Saum ihres weißen Kittels zu zwei vollkommenen Füßen, die in Pumps aus Krokodilleder stecken. Sie holt eine Spritze und eine Ampulle aus der Tasche, zieht den Inhalt der Ampulle in die Spritze.
    »Was ist das?«, frage ich.
    »Morphium. Es wird wehtun. Seine Füße sind ziemlich kaputt.« Sanft nimmt sie Henrys Arm, den er ihr stumm darbietet, als hätte sie ihn beim Pokern gewonnen. Sie ist eine behutsame Ärztin. Die Kanüle gleitet in die Haut, der Kolben entleert sich, und im nächsten Moment stößt Henry einen kleinen dankbaren Seufzer aus. Dr. Murray entfernt die Kälteverbände von Henrys Füßen, und Sue erscheint mit dem heißen Wasser, das sie auf dem Fußboden abstellt. Dr. Murry senkt das Bett, und zu zweit befördern sie Henry in eine sitzende Position. Sue misst die Wassertemperatur, gießt das Wasser in die Schüssel und taucht Henrys Füße ein. Er schnappt nach Luft.
    »Gewebe, das noch zu retten ist, wird knallrot. Wenn es nicht krebsrot wird, haben wir ein Problem.«
    Ich beobachte Henrys Füße, die in der gelben Plastikwanne schwimmen. Sie sind weiß wie Schnee, weiß wie Marmor, weiß wie Titan, weiß wie Papier, weiß wie Brot, weiß wie Wäsche, weiß wie es weißer nicht geht. Sue wechselt das Wasser, wenn Henrys eiskalte Füße es abgekühlt haben. Das Thermoteter zeigt achtunddreißig Komma zwei Grad. Nach fünf Minuten ist es auf zweiunddreißig Grad gesunken, und Sue wechselt es wieder. Henrys Füße wippen wie tote Fische. Tränen rollen ihm die Wangen hinab und verschwinden unter seinem Kinn. Ich wische ihm das Gesicht ab, streichle ihm übers Haar. Ich behalte seine Füße im Auge, will sehen, wie sie rot werden. Es ist,

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