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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Bett auf der Wiese unter den Sternen.
Sonntag, 27. September 1987 (Henry ist 32, Clare 16)
     
    Henry: Auf der Wiese, ungefähr fünf Meter westlich der Lichtung, nehme ich Gestalt an. Ich fühle mich schrecklich, mir ist schwindlig und übel, und so bleibe ich ein paar Minuten ruhig sitzen, um mich zu sammeln. Es ist kühl und grau, und das hohe braune Gras, in dem ich versunken bin, schneidet mir in die Haut. Nach einer Weile fühle ich mich etwas besser, und da alles ruhig ist, stehe ich auf und gehe hinaus auf die Lichtung.
    Clare sitzt an den Stein gelehnt auf der Erde. Sie sagt kein Wort und sieht mich einfach nur sehr zornig an. Oje denke ich. Was habe ich bloß angestellt? Sie ist in ihrer Grace-Kelly-Phase, trägt ihre blaue Wolljacke und den roten Rock. Zitternd suche ich die Kleiderschachtel und ziehe mir eine schwarze Jeans, einen schwarzen Pullover, schwarze Wollsocken, schwarzen Mantel, schwarze Stiefel und schwarze Lederhandschuhe an. Ich sehe aus wie der Hauptdarsteller in einem Wim-Wenders-Film. Ich setze mich neben Clare.
    »Hallo, Clare. Alles in Ordnung?«
    »Hallo, Henry.« Sie gibt mir eine Thermoskanne und zwei Sandwichs.
    »Danke. Mir ist leicht übel, ich warte noch ein bisschen.« Ich lege das Essen auf den Stein. In der Thermoskanne ist Kaffee. Ich atme tief ein, und allein von dem Duft geht es mir gleich besser. »Was ist passiert?« Sie schaut mich nicht an. Als ich sie genauer betrachte, stelle ich fest, dass sie geweint hat.
    »Henry. Würdest du jemand für mich verprügeln?«
    »Was?«
    »Ich will jemand wehtun, bin aber nicht stark genug und weiß nicht, wie man zuschlägt. Würdest du das für mich übernehmen?«
    »Moment. Wovon redest du überhaupt? Um wen geht es? Und warum?«
    Clare starrt in ihren Schoß. »Ich möchte nicht drüber reden. Reicht es dir nicht, wenn ich dir versichere, dass er es absolut verdient?«
    Ich glaube, mir schwant, worum es geht, die Geschichte kommt mir bekannt vor. Seufzend rutsche ich näher zu Clare und lege meinen Arm um sie. Sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter.
    »Es geht um einen Kerl, mit dem du ausgegangen bist, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und er hat sich als Arsch entpuppt, und jetzt soll ich ihn zermalmen.«
    »Ja.«
    »Clare, viele Männer sind Ärsche. Ich war früher auch einer...«
    Clare lacht. »Aber so ein Arsch wie Jason Everleigh warst du bestimmt nicht.«
    »Ist das nicht ein Footballspieler oder so?«
    »Ja.«
    »Clare, wie kommst du auf die Idee, dass ich es mit einer riesigen Sportskanone aufnehmen kann, die halb so alt ist wie ich?«
    Sie zuckt die Schultern. »In der Schule haben mich alle genervt, weil ich nie mit jemandem weggehe. Ruth, Meg und Nancy - ich meine, ständig kursiert das Gerücht, dass ich eine Lesbe bin. Selbst Mama fragt mich schon, warum ich nie mit Jungs ausgehe. Wenn mich ein Typ einlädt, lehne ich dankend ab. Und dann kam Beatrice Dilford, die wirklich eine Lesbe ist, und wollte wissen, ob ich eine bin, und ich hab Nein gesagt, worauf sie meinte, das hätte sie auch gewundert, aber alle anderen würden es behaupten. Da dachte ich mir, na gut, vielleicht sollte ich doch mal mit ein paar Jungs ausgehen. Und der Nächste, der gefragt hat, war Jason. Er ist so ein Sporttyp und sieht echt gut aus, außerdem war mir klar, wenn ich mit dem ausgehe, würden es alle erfahren, und ich dachte, dann wären sie vielleicht ruhig.«
    »Es war also deine erste Verabredung mit einem Mann?«
    »Ja. Wir gingen zu diesem Italiener, Laura und Mike waren auch da und noch ein paar Leute aus dem Theaterkurs. Ich wollte getrennte Kasse machen, aber er meinte, das käme bei ihm nicht in Frage, und ich fand das in Ordnung, ich meine, wir haben nur über Schule und Football und so was geredet. Dann sind wir in Freitag der 13., Teil VII, gegangen, ein echt blöder Streifen, nur für den Fall, dass du überlegst, ihn dir anzusehen.«
    »Hab ich schon.«
    »Ach. Warum? Ist doch gar nicht dein Geschmack.«
    »Aus dem gleichen Grund wie du. Meine Verabredung wollte ihn sehen.«
    »Wer war deine Verabredung?«
    »Eine Frau namens Alex.«
    »Und wie war sie so?«
    »Eine Bankkassiererin mit Riesentitten, die sich gern auf den Hintern klapsen lässt.« Kaum ist mir diese Bemerkung entschlüpft, fällt mir ein, dass ich Clare als Teenager und nicht als meine Frau vor mir habe, und haue mir im Geist eine runter.
    »Auf den Hintern klapsen?« Clare sieht mich an und grinst, die Augenbrauen halb am Haaransatz.
    »Vergiss es. Ihr wart also im

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