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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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getan?«, frage ich sie mit zittriger Stimme.
    »Warum nicht?« Clares Stimme klingt ruhig wie ein Sommerteich.
    »Wir hätten beide in einem brennenden Wrack umkommen können.«
    Clare fährt langsamer und biegt auf den Blue Star Highway ab. »Aber so weit kommt es nicht«, sagt sie. »Ich werde erwachsen, lerne dich kennen, wir heiraten und bitte sehr.«
    »Wenn du eben einen Unfall gebaut hättest, könnten wir ein Jahr lang im Streckverband liegen.«
    »Aber dann hättest du mich gewarnt, damit es nicht so weit kommt«, sagt Clare.
    »Ich wollte ja, aber du hast mich angebrüllt...«
    »Im Ernst, du bist älter, ich bin jünger, du hättest mir sagen müssen, ich soll keinen Unfall bauen.«
    »Aber dann wäre es schon zu spät gewesen.«
    Wir sind bei der Meagram Lane angelangt, der Privatstraße, die zu Clares Haus führt, und sie biegt ein. »Clare, halt bitte an, ja?« Sie fährt ins Gras, bremst, schaltet Motor und Licht aus. Wieder herrscht völlige Dunkelheit, und ich höre eine Million Zikaden singen. Ich ziehe Clare dicht zu mir, lege meinen Arm um sie. Sie ist angespannt und störrisch.
    »Versprich mir etwas.«
    »Was?«
    »Versprich, dass du nie wieder so einen Unsinn machst. Damit meine ich nicht nur das Auto, sondern alles, was gefährlich ist. Man weiß ja nie. Die Zukunft ist ungewiss, und du kannst nicht durch die Welt laufen und so tun, als wärst du unbesiegbar...«
    »Aber wenn du mich schon in der Zukunft gesehen hast...«
    »Vertrau mir. Hab einfach Vertrauen.«
    Clare lacht. »Und wieso sollte ich das?«
    »Keine Ahnung. Weil ich dich liebe?«
    Clares Kopf fährt so schnell herum, dass sie mich am Kiefer trifft.
    »Aua.«
    »Tut mir Leid.« Selbst den Umriss ihres Profils kann ich kaum erkennen. »Du liebst mich?«, fragt sie.
    »Ja.«
    »In diesem Moment?«
    »Ja.«
    »Aber mein Freund willst du nicht sein.«
    Aha. Das also hat sie gewurmt. »Nun, genau genommen bin ich dein Mann. Da du aber noch nicht geheiratet hast, müssen wir davon ausgehen, dass du meine Freundin bist.«
    Clare legt ihre Hand auf eine Stelle, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. »Ich wäre aber lieber deine Geliebte.«
    »Du bist sechzehn, Clare.« Sanft entferne ich ihre Hand, streichle ihr Gesicht.
    »Alt genug. Deine Hände sind ja ganz nass.« Clare macht die Innenbeleuchtung an, und ich stelle erschrocken fest, dass ihr Gesicht und Kleid mit Blut beschmiert sind. Ich sehe meine Hände an, sie sind klebrig und rot. »Henry! Was ist los?«
    »Weiß nicht.« Ich lecke mir die rechte Handfläche ab, auf der vier tiefe, sichelförmige Schnitte in einer Reihe erscheinen. Ich muss lachen. »Das kommt von meinen Fingernägeln. Als du ohne Licht gefahren bist.«
    Clare knipst die Innenbeleuchtung aus, wir sitzen wieder im Dunkeln. Die Zikaden zirpen mit voller Lautstärke. »Ich wollte dir keine Angst machen.«
    »Hast du aber. Normalerweise fühle ich mich allerdings sicher, wenn du fährst. Es ist nur ...«
    »Was?«
    »Als kleiner Junge hatte ich einen Unfall, und seitdem fahre ich ungern Auto.«
    »Oh, das tut mir Leid.«
    »Schon gut. Wie spät ist es eigentlich?«
    »O Gott.« Clare knipst das Licht an. 0.12 Uhr. »Ich komme zu spät. Aber ich kann doch nicht so blutverschmiert reingehen.« Sie sieht so verzweifelt aus, dass ich am liebsten lachen würde.
    »Lass mich mal.« Ich fahre ihr mit meiner linken Handfläche über die Oberlippe und unter die Nase. »Du hast Nasenbluten.«
    »Gut.« Sie startet den Motor, schaltet die Scheinwerfer ein und fährt vorsichtig wieder auf die Straße. »Etta erschreckt sich zu Tode, wenn sie mich sieht.«
    »Etta? Was ist mit deinen Eltern?«
    »Mama schläft wahrscheinlich schon, und Daddy hat heute Pokerabend.« Clare öffnet das Tor, und wir fahren durch.
    »Wenn meine Tochter einen Tag, nachdem sie den Führerschein hat, mit dem Auto unterwegs wäre, würde ich mit der Stoppuhr neben der Tür sitzen.« Clare bleibt außer Sichtweite des Hauses stehen.
    »Haben wir Kinder?«
    »Tut mir Leid, das unterliegt der Geheimhaltung.«
    »Dann werde ich von meinem Recht auf Einsicht in meine Akte Gebrauch machen.«
    »Nur zu.« Vorsichtig küsse ich sie, um nicht das falsche Nasenbluten zu ruinieren. »Lass mich wissen, was dabei herauskommt.« Ich öffne die Tür. »Viel Glück bei Etta.«
    »Gute Nacht.«
    »Nacht.« Ich steige aus und schließe die Tür so geräuschlos wie möglich. Das Auto rollt die Auffahrt entlang, um die Kurve und in die Nacht. Ich gehe hinterher, zu einem

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