Die Frau des Zeitreisenden
fragen, ob er mir Moms Ringe gibt.«
»Ohhhh. Junge, ich weiß nicht. Du willst also heiraten. Hey! Das ist großartig! Wird sie ja sagen?«
»Glaub schon. Zu neunundneunzig Prozent bin ich mir sicher.«
»Na, ist doch gut. Aber mit den Ringen deiner Mutter, das kann ich nicht beurteilen. Also, was ich dir sagen will« - ihre Augen blicken zur Decke -, »deinem Dad, dem geht’s nicht sehr gut. Er brüllt oft und schmeißt Sachen, und er übt nicht mehr.«
»Ach. Das kommt nicht völlig überraschend. Aber gut ist es nicht. Warst du in letzter Zeit oben?« Normalerweise ist Kim oft in Dads Wohnung. Ich glaube, sie macht dort heimlich sauber. Ich habe schon gesehen, wie sie trotzig seine Anzughemden gebügelt und sich jeden Kommentar meinerseits verbeten hat.
»Er lässt mich ja nicht rein!« Sie ist den Tränen nahe. Das allerdings ist schlimm. Mein Dad hat gewiss seine Probleme, aber dass er sie an Kimy auslässt, ist einfach schändlich.
»Aber wenn er nicht da ist?« Gewöhnlich tue ich so, als wüsste ich nicht, dass Kimy ohne Dads Wissen in seiner Wohnung ein- und ausgeht, und sie tut so, als würde sie so etwas niemals wagen. Aber im Grunde bin ich ihr jetzt, da ich nicht mehr hier wohne, dafür dankbar. Jemand muss ja ein Auge auf ihn haben.
Auf meine Bemerkung hin macht sie ein schuldbewusstes und leicht erschrockenes Gesicht. »Gut. Klar, gelegentlich seh ich schon mal nach, weil ich mir Sorgen um ihn mache. Überall liegt Müll herum, wenn er so weitermacht, kriegen wir noch Ungeziefer. In seinem Kühlschrank ist nichts außer Bier und Zitronen. Auf dem Bett liegen so viele Kleider, dass er meiner Meinung nach nicht darin schlafen kann. Ich weiß nicht, was er macht. In einem so schlechten Zustand hab ich ihn seit dem Tod deiner Mutter nicht gesehen.«
»O Mann. Was meinst du?« Über uns kracht es gewaltig, was bedeutet, dass Dad etwas auf den Küchenboden hat fallen lassen. Wahrscheinlich steht er gerade auf. »Ich sollte wohl lieber mal hoch gehen.«
»Ja.« Kimy wird ganz schwermütig. »So ein netter Mann, dein Dad. Ich weiß nicht, warum er sich so gehen lässt.«
»Er ist Alkoholiker. Und Alkoholiker verhalten sich so. Das steht so in ihrer Jobbeschreibung: Zerfall, und danach weiterer Zerfall.«
Sie wirft mir einen vernichtenden Blick zu. »Wo wir gerade bei Jobs sind...«
»Ja?« O Mist.
»Ich glaube, er geht nicht mehr zur Arbeit.«
»Na ja, es ist keine Saison. Im Mai arbeitet er nie.«
»Sie sind in Europa auf Tournee, und er ist nicht dabei. Außerdem hat er die letzten zwei Monate keine Miete gezahlt.«
Verdammt, verdammt, verdammt. »Kimy, wieso hast du mich nicht angerufen? Das ist schlimm. Mann.« Schon bin ich auf den Füßen und laufe in den Flur, packe meinen Rucksack, gehe in die Küche zurück und forsche darin nach meinem Scheckbuch. »Wieviel schuldet er dir?«
Mrs Kim ist das Ganze sehr peinlich. »Nein, Henry, nicht - er zahlt schon noch.«
»Er kann mir das Geld zurückgeben. Also, Kumpel, ist schon gut. Jetzt spuck’s aus, wie viel?«
Sie sieht mich nicht an. »Tausendzweihundert Dollar«, sagt sie kleinlaut.
»Mehr nicht? Was machst du, leitest du die philantropische Gesellschaft zur Unterstützung von unberechenbaren DeTambles?«
Ich schreibe den Scheck aus und stecke ihn unter ihre Untertasse. »Den solltest du lieber einlösen, sonst komme ich wieder.«
»Also, dann lös ich ihn nicht ein und du musst mich besuchen.«
»Das wollte ich sowieso.« Ich habe ein überaus schlechtes Gewissen. »Dann bringe ich Clare mit.«
Kimy strahlt mich an. »Das will ich hoffen. Ich werde deine Brautjungfer sein, einverstanden?«
»Wenn es mit Dad nicht besser wird, darfst du mich meiner Zukünftigen übergeben. Überhaupt, die Idee ist großartig: Du fuhrst mich den Gang entlang, Clare wartet im Frack, und der Organist spielt Lohengrin...«
»Ich sollte mir lieber ein Kleid kaufen.«
»Halt. Kleider werden erst gekauft, wenn ich dir sage, dass es beschlossene Sache ist.« Ich seufze. »Jetzt werde ich besser mal hoch gehen und mit ihm reden.« Ich stehe auf. Mit einem Mal komme ich mir in Mrs Kims Küche riesig vor, als wäre ich in meiner alten Grundschule und staunte über die Größe der Tische. Langsam kommt sie auf die Füße und folgt mir zur Eingangstür. Ich nehme sie in die Arme. Einen Moment lang wirkt sie zerbrechlich und verloren, und ich stelle mir ihr Leben vor, die ineinander übergehenden Tage, in denen sie putzt, gärtnert und Bridge spielt, dann
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