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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Hintergrund aus dunklen Bäumen zu leuchten. Dad nimmt das Bild und betrachtet es sorgsam.
    »Sie heißt Clare Abshire und ist Künstlerin.«
    »Tja. Hübsch ist sie«, sagt er widerstrebend. Das ist fast schon ein väterlicher Segen.
    »Ich möchte ... ich würde ihr gern Moms Ehe- und Verlobungsring schenken. Ich glaube, Mom hätte es gutgeheißen.«
    »Woher willst du das wissen? Vermutlich erinnerst du dich kaum noch an sie.«
    Im Grunde möchte ich nicht darüber diskutieren, aber plötzlich bin ich entschlossen, mich durchzusetzen. »Ich sehe sie regelmäßig. Seit ihrem Tod habe ich sie Hunderte von Malen gesehen. Ich sehe sie im Viertel umherlaufen, mit dir, mit mir. Sie geht in den Park und lernt Partituren, sie kauft ein, sie trinkt Kaffee mit Mara im Tia’s. Ich sehe sie mit Onkel Ish. Ich sehe sie an der Juilliard School. Ich höre sie sogar singen !« Dad starrt mich entgeistert an. Mir ist klar, ich richte ihn zugrunde, aber irgendwie kann ich nicht aufhören. »Ich hab mit ihr gesprochen. Einmal stand ich neben ihr in einem überfüllten Zug und hab sie berührt.« Dad fängt zu weinen an. »Ich empfinde es nicht nur als Fluch, verstehst du? Manchmal ist es wunderschön, durch die Zeit zu reisen. Ich musste sie sehen, und manchmal sehe ich sie eben. Sie hätte Clare gemocht, sie hätte sich gewünscht, dass ich glücklich bin, und sie würde es bedauern, wie du alles verpfuschst, nur weil sie gestorben ist.«
    Er sitzt am Küchentisch und heult. Er weint, ohne sein Gesicht zu verbergen, hält nur den Kopf gesenkt und lässt den Tränen freien Lauf. Ich beobachte ihn eine Weile, der Preis für meine Unbeherrschtheit. Dann gehe ich ins Bad und komme mit einer Rolle Klopapier zurück. Blindlings greift er danach und putzt sich die Nase. Dann sitzen wir ein paar Minuten ratlos da.
    »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du sie siehst? Ich hätte das... gern gewusst.«
    Warum ich es ihm nicht gesagt habe? Weil jeder normale Vater längst herausgefunden hätte, dass der Fremde, der in ihren frühen Ehejahren immer wieder auftauchte, in Wirklichkeit sein anormaler, durch die Zeit reisender Sohn war. Weil ich Angst davor hatte: Weil er mich, den Überlebenden, gehasst hat. Weil ich mich ihm insgeheim für etwas, das in seinen Augen ein Mangel ist, überlegen fühlen konnte. Aus hässlichen Gründen wie diesen.
    »Weil ich dachte, es würde dir wehtun.«
    »Oh, nein. Das tut mir nicht weh. Ich ... es ist schön, zu wissen, dass sie da ist, irgendwo. Ich meine... das Schlimmste ist doch, dass sie fort ist. Darum ist es schön, wenn sie irgendwo draußen ist. Auch wenn ich sie nicht sehen kann.«
    »Meistens wirkt sie glücklich.«
    »Ja, sie war sehr glücklich... wir waren glücklich.«
    »Sicher. Du warst ein ganz anderer Mensch. Ich hab mich oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn ich so mit dir aufgewachsen wäre, wie du damals warst.«
    Langsam steht er auf. Ich bleibe sitzen, während er schwankend durch den Flur in sein Schlafzimmer geht. Ich höre ihn herumwühlen, dann kommt er zurück, in der Hand einen kleinen Beutel aus Satin. Er greift hinein, holt ein dunkelblaues Schmuckkästchen hervor, öffnet es und nimmt die beiden dünnen Ringe heraus. Wie Samen liegen sie in seiner langen, zitternden Hand. Dad legt die linke Hand über die rechte mit den Ringen und sitzt eine Weile so da, als wären die Ringe gefangene Leuchtkäfer. Seine Augen sind geschlossen. Dann öffnet er sie wieder und streckt die rechte Hand aus: Ich lege meine Hände aneinander, und er gibt mir die Ringe.
    Der Verlobungsring ist ein Smaragd, das düstere Licht vom Fenster bricht sich darin grün und weiß. Die Ringe sind aus Silber, sie müssen geputzt werden. Außerdem müssen sie getragen werden, und ich kenne das Mädchen, zu dem sie am besten passen.

GEBURTSTAG
Sonntag, 24., Mai 1992 (Clare ist 21, Henry 28)
     
    Clare: Mein einundzwanzigster Geburtstag. Es ist ein herrlicher Sommerabend. Ich bin in Henrys Wohnung, liege in seinem Bett und lese Der Monddiamant von Wilkie Collins. Henry kocht uns in der winzigen Kitchenette etwas zu essen. Ich ziehe seinen Bademantel an, und auf dem Weg ins Bad höre ich, wie er auf den Mixer schimpft. Ich lasse mir Zeit, wasche mir die Haare, beschlage den Spiegel mit Dampf. Manchmal denke ich daran, mir die Haare schneiden zu lassen. Es könnte so schön sein, sie zu waschen, schnell mit dem Kamm durchzufahren, und presto!,

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