Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Saatguthändler, der sagt, dass ihn noch nie jemand geliebt hat.«
»Ja, den empfange ich«, sagte Eva.
»Dann ist da noch ein Vegetarier, der in einem Schlachthof arbeitet. Der einzige Job, den er finden konnte. Soll er kündigen? Ich durchsuche ihn nach Messern.«
Eva stütze sich auf einen Ellbogen und nahm die Liste. Sie sagte: »Ich hab so einen Hunger, Alexander.«
»Was willst du haben?«
»Bring mir Brot. Käse. Marmelade. Egal was.«
An der Tür blieb er stehen und sagte: »Würde es dir etwas ausmachen, ›bitte‹ zu sagen? Dann würde ich mir weniger wie ein kastrierter Lakai vorkommen.«
Sie sagte widerwillig: »Okay. Bitte.«
»Danke, Madam. Wäre das dann alles?«
»Hör zu, wenn du mir etwas zu sagen hast …«
Alexander fiel ihr ins Wort: »Ich habe dir eine Menge zu sagen. Ich habe es satt, dir dabei zuzusehen, wie du dich zugrunde richtest, wie du in deinem Loch verfaulst, und zu entscheiden, wer die große Eva sehen darf und wer je nach Evas Laune abgewiesen wird. Ist dir eigentlich klar, dass ich dich noch nie auf den Beinen gesehen habe? Ich weiß nicht mal, wie groß du bist.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Der Gedanke, sich das Elend anderer Menschen anhören zu müssen, deprimierte sie. Die Hausgemeinschaft, in der sie wohnte, wirkte ständig schlecht gelaunt, und jetzt fing Alexander auch noch damit an.
Sie bat: »Alexander, ich kann im Moment nicht klar denken. Ich habe so einen Hunger.«
Alexander kam mit dem Gesicht ganz nah und empfahl: »Na, dann steh auf und geh selbst in die Küche.«
»Ich dachte, du verstehst mich. Wir haben doch eine Abmachung, oder?«
»Ich glaube nicht. Es fühlt sich an, als wären unsere Beine einbetoniert. Keiner von uns kann sich noch bewegen.«
Er ging hinaus und ließ die Tür weit offen, als hätte er keine Kraft mehr, sie zuzuknallen.
Eva nahm die Liste und las. Zu ihrem Unmut sah sie, dass Alexander einige der Einträge kommentiert hatte.
Verheirateter Mann – hat schwulen Liebhaber. (Na und?)
Kantinenangestellte – hat mir blaue Flecken gezeigt. Zugefügt von ihrem Mann.
Drogenfahnder – amphetaminabhängig. Hat bei Crystal Meth Panik gekriegt.
Schlosser – diverse Wettkonten im Internet. Hat £15 000 verloren, plus das Kreditkartenlimit von £5000. Ehefrau weiß nichts. Wettet immer noch, um »die Verluste wieder reinzuholen«.
Hausfrau und sechsfache Mutter, Ipswich – kann ihr fünftes Kind nicht leiden.
Tischler – wird morgen aus seiner Wohnung geworfen.
Lehrerassistentin – zwanghafte Ladendiebin. Will aufhören.
Pensionierter Maurer – weigert sich, sein Problem zu verraten.
Jugendlicher – quält Insekten, Hunde und Katzen. Ist er »normal«? (für einen Psychopathen, ja)
Busfahrer – trinkt am Steuer.
Privatsekretärin – soll sie Mann heiraten, den sie nicht liebt? (Nein! Nein! Nein!)
Bäcker – spuckt in den Teig. (Finde raus, wo er arbeitet.)
Vierzehnjährige Schülerin – kann sie schwanger werden, wenn sie nach dem Sex duscht? (Ja.)
Ehepaar – beide Ende siebzig. Frau hat Gebärmutterkrebs. Würdest du beiden die tödliche Dosis Insulin verabreichen? (Liebe Eva, bitte erkläre dich nicht bereit, sie umzubringen, das geht zu weit, Kuss, Alex.)
Schülerin, dreizehn – wurde von einem Familienmitglied sexuell und emotional missbraucht und misshandelt. (Sorgentelefon: 0800 11 11. Polizei.)
Muslimisches Mädchen – hasst Burka. Hat das Gefühl zu ersticken.
Phonotypistin – verheiratet mit A, immer noch verliebt in B, hat aber eine Affäre mit C.
Gescheiterter Bankier, ehemaliger Rastafari, am Hungertuch nagender Maler – bezaubert von ans Bett gefesselter, etwas älterer Frau. Möchte das Bett mit ihr teilen und mit ihr spazieren gehen. (Scheint dringend. Schlage vor, du sprichst möglichst bald mit dem Mann.)
Beim letzten Eintrag lächelte sie, dann erstarb das Lächeln, als sie Sandy Lake schreien hörte: »Ich bin wieder da! Ich bin hier! Ich würde für dich sterben, Engel Eva! Ich werde dich nie verlassen! Sie können uns nicht trennen! Du bist meine andere Hälfte!«
Eva wünschte, Sandy Lake würde sterben. Sie wünschte ihr keine Schmerzen, nur einen sanften Tod im Schlaf. Sie wollte irgendjemandem erzählen, dass Sandy Lake ihr Angst machte, aber sie wollte nicht schwach oder hilfsbedürftig wirken.
Als Alexander mit einem Teller belegter Brote zurückkam, nahm Eva eines, biss hinein und spuckte es dann gleich wieder aus.
Sie schrie: »Ich wollte Brot mit Käse oder Brot
Weitere Kostenlose Bücher