Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Pärchenabende veranstaltet hatten, begannen diese meist gesittet. Doch wenn Eva ihre selbstgemachten Windbeutel servierte, hatte sich meist eines der Paare in keifende Pedanten verwandelt, die die Richtigkeit der Anekdoten des jeweiligen Partners in Zweifel zogen und bei jedem langweiligen Detail widersprachen. »Nein, das war Mittwoch, nicht Donnerstag. Und du hattest deinen blauen Anzug an, nicht den grauen.« Sie brachen zeitig auf, die Mienen versteinert wie Osterinsel-Statuen. Oder blieben bis spät in die Nacht, bedienten sich großzügig beim Schnaps und versanken im alkoholisierten Morast der Depression.
Eva lächelte vor sich hin und dachte: »Ich werde nie mehr einen Pärchenabend veranstalten oder daran teilnehmen müssen.«
Sie fragte sich, ob die Elstern glücklich waren – oder empfanden nur Menschen so etwas wie Glück?
Wer hatte darauf bestanden, das »Recht auf Glück« in die Amerikanische Verfassung aufzunehmen?
Sie wusste, dass Google ihr innerhalb von Sekunden die Antwort liefern würde, doch sie hatte es nicht eilig. Vielleicht würde es ihr wieder einfallen, wenn sie wartete.
Alexander klopfte: »Bist du bereit für einen Fernfahrer mit zwei Familien? Eine in Edinburgh, eine in Bristol.«
Eva stöhnte.
Alexander sagte: »Es kommt noch schlimmer. Nächste Woche wird er fünfzig. Beide Ehefrauen schmeißen ihm eine große Party.«
Sie lachten, und Eva sang: »It’s my party and I’ll cry if I want to …«
Alexander sagte: »Dich hab ich noch nie weinen sehen.«
»Nein, ich kann nicht weinen.« Dann fragte Eva: »Was tue ich hier eigentlich, Alexander?«
»Du gibst dir selbst eine zweite Chance. Du bist ein guter Mensch, Eva.«
»Bin ich nicht!«, widersprach Eva. »Ich nehme es den Leuten übel, dass sie meinen Frieden stören. Ich spüre förmlich, wie ihr Elend mich verstopft. Ich kann kaum noch atmen. Wie kann ich ein guter Mensch sein? Die Leute sind mir egal. Sie langweilen mich. Ich will einfach nur hier liegen, ohne etwas zu sagen, ohne etwas zu hören. Ohne mir darüber Gedanken zu machen, wer als Nächstes auf deiner Liste steht.«
Alexander sagte: »Glaubst du, mein Job ist leichter? Ich stehe draußen in der Kälte, friere mir die Eier ab und muss mich den ganzen Tag mit Spinnern unterhalten.«
»Das sind keine Spinner«, protestierte Eva. »Es sind Menschen, die sich in eine missliche Lage gebracht haben.«
»Ach, ja? Na, dann solltest du mal die sehen, die ich abweise.« Alexander setzte sich aufs Bett. »Ich will nicht draußen in der Kälte sein. Ich will hier bei dir sein.«
Eva sagte: »Nachts denke ich an dich. Wir teilen eine Wand.«
»Ich weiß. Ich schlafe einen halben Meter von dir entfernt.«
Beide starrten wie hypnotisiert auf die eigenen Fingernägel.
Alexander sagte: »Also, wie lange gibst du dem Bigamisten?«
»So wie immer, mehr als zehn Minuten halte ich nicht aus«, sagte Eva gereizt.
»Hör zu, wenn du ihn nicht sehen willst, lass es. Ich wimmle ihn ab.«
»Ich bin ein Scharlatan. Die Leute glauben, ich helfe ihnen, aber das tue ich nicht. Warum glauben sie alles, was sie in der Zeitung lesen?«
»Vergiss die Zeitungen. Es ist das Internet. Du hast keine Ahnung, oder? Keine Ahnung, wie verrückt die Leute sind. Du liegst hier oben, wir besorgen den Zimmerservice, und du verkriechst dich buchstäblich unter der Decke, wenn es zu unbequem wird, wenn irgendetwas droht, die kleine Eva aufzuregen. Tja, vergiss einfach nicht, dass die eigentliche Arbeit da unten erledigt wird, gefährliche Arbeit. Ich bin kein ausgebildeter Bodyguard. Ich lese deine Post, Eva. Ich halte einige der Briefe zurück. Ob ich noch male? Nein, tu ich nicht. Weil ich Eva vor den Irren beschützen muss, die sie abstechen wollen. Eva, die Diva.«
Eva setzte sich kerzengerade auf.
Sie wollte aufstehen und dem ganzen Ärger, den sie verursachte, ein Ende bereiten. Doch als sie die Beine aus dem Bett schwang, schien der Boden zu schwanken. Sie hatte Angst, wenn sie sich hinstellte, durch die Bodendielen zu sinken, als wären diese aus Wackelpudding.
Ihr war schwindelig. »Gib mir noch eine Minute, bitte, dann kannst du den Bigamisten rauf schicken.«
»Okay. Und iss mal wieder was. Du siehst aus wie ein Klappergestell.« Er ging hinaus und schloss energisch die Tür hinter sich.
Eva hatte das Gefühl, als hätte man ihr einen Schlag versetzt.
Sie ahnte schon seit einer Weile, dass sie sich schlecht benahm. Sie war egoistisch und anstrengend und hatte fast selbst
Weitere Kostenlose Bücher