Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Fenstersims, auf das sich die Schneeflocken senkten und eine gerade weiße Kante bildeten.
Es erinnerte sie daran, wie sie die Zwillinge mit zehn raus in den Schnee geschickt hatte, weil sie nicht aufhören wollten, sich zu zanken. Die Kinder hatten ans Wohnzimmerfenster geklopft und gefleht, wieder ins Haus kommen zu dürfen, während Eva so tat, als würde sie die Vogue lesen. Ein paar Minuten später war Brian von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte seinen Sohn und seine Tochter draußen zitternd, ohne Jacken in ihren Schuluniformen vorgefunden, während seine Frau vor dem knisternden Kaminfeuer saß und eine Zeitschrift las, offensichtlich ohne sich der Not ihrer Kinder bewusst zu sein.
Brian hatte gebrüllt: »Unsere Kinder landen noch im Heim! Du weißt doch, wie viele Sozialarbeiter hier wohnen.«
Das stimmte – in den umliegenden Straßen parkten unverhältnismäßig viele neue VW Käfer.
Bei der Erinnerung musste Eva laut lachen.
Die Zwillinge hatten sich aneinanderkuscheln müssen, um nicht zu erfrieren, bevor Brian sie wieder ins Haus ließ. Sie erzählte Brian, es sei eine erzieherische Maßnahme gewesen, und da er gerade erst von einem Teamentwicklungsseminar in den Brecon Beacons zurückgekehrt war, wo man ihn gezwungen hatte, ein Kaninchen zu fangen, ihm das Fell abzuziehen, es zu kochen und zu essen, hatte er ihr geglaubt.
Sie sah Stanley auf das Haus zukommen und am Gartentor zögern. Er war vollkommen mit Schnee bedeckt, vom Filzhut bis zu den schwarzen Halbschuhen. Sie ging vom Fenster weg und hörte, wie er seine Schuhe auf der Veranda abklopfte. Es klingelte an der Tür, als Eva ins Bett stieg und sich wappnete. Sie hatte Brian gebeten, dafür zu sorgen, dass Poppy nicht im Haus war.
Brian hatte gesagt: »Das kann ich nur garantieren, wenn ich selbst irgendwo mit ihr hinfahre. Das wird kein Vergnügen, aber ich muss es wohl tun.«
Obwohl Stanley ohne Anklage wieder freigelassen worden war, wollte Eva nicht riskieren, dass er Poppy begegnete. Es gab keine Garantie dafür, dass sie nicht wieder dieselben Anschuldigungen vorbringen würde. Eva würde erklären müssen, dass eingebildetes Stalking nur eines von vielen solcher peinlichen Poppy-Dramen war. Die eingebildeten Krankheiten, die dreisten Lügen, die Hysterie, wenn irgendjemand »ihre Sachen« anfasste, die Haushaltsgegenstände, die verschwunden waren …
Ob Stanley vorhatte, ihr eine Schilderung seiner Nahtoderfahrung in einer brennenden Spitfire aufzubürden? Würde er weinen, wenn er erzählte, wie sein Gesicht geschmolzen und sich abgelöst hatte. Würde er versuchen, seine Qualen zu beschreiben?
Es waren die Einzelheiten, die Eva fürchtete.
Brianne führte Stanley die Treppe hinauf. Sie war stumm vor Verlegenheit und Entsetzen. »Sein Gesicht ist grotesk«, dachte sie. »Armer Mr. Crossley. An seiner Stelle würde ich eine Maske tragen.« Sie wollte ihm sagen, dass Poppy keine Freundin war, dass sie Poppy hasste, sie nicht in ihrem Haus haben wollte und nicht verstehen konnte, warum ihre Eltern sie nicht hinauswarfen. Doch wie üblich wollten die Worte nicht kommen. Als sie oben waren, rief sie: »Mum! Mr. Crossley ist hier.«
Stanley betrat einen weißen Raum, in dem der einzige Farbklecks ein gelber, bestickter Sessel mit einem orangeroten Fleck war, der ihn an einen Sonnenaufgang erinnerte. Er machte eine kleine Verbeugung und streckte die Hand aus. Eva nahm sie und hielt sie ein bisschen länger als üblich.
Brianne sagte: »Darf ich Ihnen Hut und Mantel abnehmen?«
Während Stanley sich aus seinem Mantel mühte und Brianne seinen Hut gab, sah Eva, dass sein Schädel ein Relief aus Narben war. »Setzen Sie sich doch, Mr. Crossley.«
Er sagte: »Hätte ich gewusst, dass Sie indisponiert sind, Mrs. Biber, hätte ich gewartet, bis es Ihnen besser geht.«
»Ich bin nicht indisponiert«, sagte Eva. »Ich mache Urlaub von meinem Ich.«
»Ja, das tut gut, rüttelt einen auf und stärkt Körper und Geist.«
Sie sagte, Brianne könnte ihm Tee, Kaffee oder etwas von dem Glühwein bringen, den Brian über Nacht hatte ziehen lassen.
Er winkte ab: »Sie sind sehr freundlich. Danke, aber nein.«
Eva sagte: »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind. Ich möchte mich bei Ihnen für das, was neulich passiert ist, entschuldigen.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mrs. Biber.«
»Dieses Mädchen ist bei uns zu Besuch. Ich fühle mich verantwortlich.«
»Sie ist offensichtlich gestört«, sagte Stanley.
Eva nickte.
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